Nachrichten, Gerüchte, Meldungen und Berichte aus der IT-Szene
Redaktion: Heinz Schmitz
Geo3DTouch - Daten zum Anfassen

Erster ertastbarer, dreidimensionaler Prototyp für die spektrale Bestrahlungsstärke auf einer Sonde. (Quelle: AG Huwer/Universität Konstanz)
Erinnern Sie sich noch an Ihren Mathematikunterricht in der 7. Klasse und die Zeichnung eines rechtwinkligen Dreiecks mit angrenzenden Quadraten zur Veranschaulichung des Satzes des Pythagoras? Oder an Kurvendiskussionen in der Oberstufe? Falls ja, dann erinnern Sie vielleicht auch daran, wie hilfreich Visualisierungen sein können, wenn es darum geht, abstrakte mathematische Konzepte zu verstehen. Umso schwerer dürfte das Verinnerlichen solcher Konzepte oder komplexer Daten fallen, wenn die Möglichkeit des Lernens mithilfe grafischer Veranschaulichungen fehlt oder nur eingeschränkt vorhanden ist.
Um für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen bessere Zugangsmöglichkeiten zu Konzepten der Mathematik und Naturwissenschaften zu schaffen, haben sich Forschende der Universität Konstanz um die naturwissenschaftlichen Fachdidaktiker Johannes Huwer und Lars-Jochen Thoms mit Kolleg*innen aus Spanien und Italien zusammengeschlossen. Ihr Ziel: In Zusammenarbeit mit ONCE – eine spanische Organisation für Menschen mit beeinträchtigtem Sehvermögen – sollen Lehrmaterialien für Schüler*innen und Studierende entwickelt werden, die mathematische Konzepte und naturwissenschaftliche Daten nicht visuell, sondern über den Tastsinn „begreifbar“ machen.
Freie Lehrmaterialien aus dem 3D-Drucker Ganz konkret werden in dem EUniWell-finanzierten Projekt mit dem Kurznamen „Geo3DTouch“ zum Beispiel Lehrmaterialien entstehen, die das dreidimensionale Erfühlen von Messdaten aus naturwissenschaftlichen Experimenten oder Analysen ermöglichen – wie Spektroskopiedaten aus der Chemie. Die Spektren werden als dreidimensionale Graphen im 3D-Drucker ausgedruckt, sodass die spitzen Ausschläge (Peaks) des Spektrums ertastet werden können. Die Zusammenarbeit der vier EUniWell-Universitäten mit ONCE wird dabei sicherstellen, dass die entwickelten Materialien sich passgenau an die Bedürfnisse von Menschen mit eingeschränktem Sehsinn richten. Dabei werden sowohl Lehrer*innen als auch Schüler*innen und Studierende mit eingeschränktem Sehvermögen in die Entwicklung der Materialien einbezogen.
Ein Starttreffen der Projektbeteiligten, bei dem erste Entwürfe für die Lehrmaterialien entstanden sind, fand jüngst im Januar 2025 in Santiago de Compostela in Spanien statt. Die dort entwickelten Konzepte sollen nun durch Studierende und Didaktik-Expert*innen der beteiligten Universitäten verfeinert und umgesetzt werden. „Durch einen gemeinsamen, konstruktiven Prozess aus Wissenschaft und Praxis versuchen wir, geeignete praxisnahe Beispiele umzusetzen. Somit erlauben wir einen inklusiven Zugang für Personen mit eingeschränktem Sehvermögen – quasi ein Einblick in Daten zum Anfassen“, so Huwer.
Am Ende des Projekts werden die fertigen Lehrmaterialien stehen, die in jedem handelsüblichen 3D-Drucker ausgedruckt und damit vervielfältigt werden können. Die dafür notwendigen Druckvorlagen wird das Geo3DTouch- Team kostenlos und in anpassbarer Form im Internet zur Verfügung stellen. Zusätzlich sollen frei zugängliche, detaillierte Anleitungen zum effektiven Einsatz der Materialien entstehen – Vorschläge für Lehrmethoden und mögliche pädagogische Aktivitäten, die durch diese taktilen Hilfsmittel unterstützt werden können, inbegriffen.
Das Projekt Geo3DTouch wird über das Seed-Funding-Programm der European University of Well-Being (EUniWell) finanziert. Dabei handelt es sich um das zentrale Förderinstrument der aus insgesamt elf europäischen Universitäten bestehenden Universitätsallianz. Unterstützt werden Projekte, die im Einklang mit den zentralen Zielsetzungen von EUniWell stehen: das Wohlergehen/Well-Being in den Bereichen Gesundheit und Bildung oder auf institutioneller, gesellschaftlicher oder kultureller Ebene zu fördern. Die maximale Fördersumme pro Projekt beträgt 25.000 Euro.
Siehe auch: