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Redaktion: Heinz Schmitz


Veränderte Anonymität in Gegenwartsgesellschaften?

Anonymität ist eines der Schlüsselthemen moderner Gesellschaften – so lautet die These eines im Juli an den Universitäten Bremen, Hamburg und Lüneburg beginnenden Forschungs-Projekts. Anonymität zählte bislang zu den grundlegenden kulturellen Formen sozialer Ordnungen. In Zeiten der Datenspeicherung, Handyortung bis hin zum aktuellen NSA-Abhörskandal scheint das nicht mehr sicher. Unsere Vorstellungen und Praktiken von Anonymität befinden sich zurzeit in einem tiefgreifenden Wandel – ausgelöst nicht zuletzt durch neue Kommunikations-, Informations-, Identifikations- und Überwachungstechnologien. Mit diesem Wandel beschäftigt sich das Forschungsprojekt „Re-Konfigurationen von Anonymität: Reziprozität, Identifizierbarkeit und Verantwortlichkeit im Umbruch“.

 

Obwohl die mit diesem Wandel verbundenen Fragen in der Öffentlichkeit immer breiter diskutiert werden, liegen kaum fundierte qualitativ- empirische Forschungsarbeiten zu den gegenwärtigen Dynamiken von Anonymität vor. Hier setzt das Forschungsprojekt an, bei dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz unterschiedlicher Disziplinen beteiligen: Ethnologie und Kulturananthropologie sind ebenso vertreten wie Soziologie, Medienwissenschaften und Kunstwissenschaft. Sie wollen gemeinsam herausfinden, wie Anonymität gesichert, verändert oder demontiert wird und wie sich die veränderte Rolle der Anonymität auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben auswirkt: auf den Einzelnen ebenso wie auf Gemeinschaften. Im Mittelpunkt stehen sogenannte „Anonymitätsregime“, in denen Online- und Offlinewelten auf das Engste verzahnt sind, so die Wissenschaftler. Anonymitätsregime entstehen aus dem Zusammenspiel von sozialen, technisch-infrastrukturellen, normativen und politischen Elementen. In vergleichenden Studien werden diese Figurationen in Deutschland und Großbritannien untersucht.

 

Das Wissenschaftlerteam in Bremen (Professorin Michi Knecht, Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft, Sprecherin), Hamburg (Professorin Gertraud Koch, PD Dr. Nils Zurawski) und Lüneburg (Professor Götz Bachmann, Dr. Andreas Broeckmann, Professor Ulf Wuggenig) erforscht beispielsweise Aspekte zur Nutzung sozialer Medien, zu Interaktionen zwischen Polizei und Bürgerinnen und Bürgern, zu Infrastrukturen und dem Gebrauch von Magnetstreifen- und Chipkarten, sowie zu anonymen Eizell- und Samenspenden. Ergänzt wird das Forschungsprojekt um sogenannte kollaborative Formen der Wissensproduktion. Dafür arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Experten aus der Praxis, Programmierern und Künstlern zusammen. So sollen theoretische Modelle und künstlerische Positionen zum Thema entstehen, die als Grundlage für künftige politische und rechtliche Diskussionen dienen können.

 

Siehe auch:

http://www.kultur.uni-bremen.de/de/personen/alphabetische-liste/detail/knecht

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