Nachrichten, Gerüchte, Meldungen und Berichte aus der IT-Szene

Redaktion: Heinz Schmitz


Netzhautscanner für die Handtasche

Die Netzhaut ermöglicht uns das Sehen. Sie verrät jedoch auch, wer wir sind. Das Blutgefäßmuster der Retina ist ein biometrisches, bei jedem Menschen einzigartiges Merkmal. Mit speziellen Augenscannern könnte man sich unterwegs eindeutig und sicher identifizieren. Zum Beispiel um Bankgeschäfte zu tätigen, an der Supermarktkasse zu bezahlen oder seine Wohnung bzw. sein Auto aufzuschließen. Doch noch sind die Geräte viel zu groß und unhandlich für den mobilen Einsatz.

 

Wissenschaftler des Dresdner Fraunhofer- Instituts für Photonische Mikrosysteme stellen den Prototyp eines Retinascanners vor, der klein, ergonomisch der menschlichen Hand angepasst und für Brillenträger geeignet ist „Laut unseren Informationen ist das Gerät in seiner Kompaktheit einzigartig“, sagt Dr. Uwe Schelinski, Gruppenleiter Systemintegration am IPMS. Die für die Aufnahme der Retina notwendigen optischen Bauteile haben die Forscher in einem Volumen von circa zwölf mal neun mal sechs Zentimetern untergebracht. Dazu gehören zum Beispiel Infrarot-Laser, Okular und MEMS- Scannerspiegel (engl. micro-electro-mechanical systems). Dank dieser Mikrospiegel gelang es, das optische System so kompakt zu gestalten.

 

Die mikroelektronischen Bauteile auf Siliziumbasis sind nicht größer als kleine Mikrochips. Sie lenken den augensicheren Laserstrahl so, dass er in der Lage ist, die Netzhaut gezielt abzutasten. Die eingebaute Optik erzeugt aus den reflektierten Laserstrahlen ein Bild der Retinaoberfläche. Da die Blutgefäße der Netzhaut Licht weniger reflektieren als die restliche Fläche ihrer Nervenzellen, lässt sich ihr Muster graphisch eindeutig abbilden und mit dem vorher gespeicherten Muster seines Besitzers vergleichen. Bei jedem Menschen ist dieses Muster individuell einzigartig, genau wie der Fingerabdruck, die Iris, die Gesichtszüge oder die Stimme, und beweist seine Identität.

 

Der tragbare Retinascanner ist im Projekt MARS entstanden, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. MARS steht für mobile Authentifikation mittels Retina-Scanning. Mobil ist das System durch seine Größe bereits – zumindest die optischen Bauteile. Bis zum Ende des Projekts im Dezember 2014 wollen die Wissenschaftler auch die Elektronik so integrieren, dass das Gerät nur minimal größer wird. Parallel geht es in der letzten Phase von MARS vor allem darum, an der Auswertesoftware zu feilen. Unterstützt werden die Dresdner Wissenschaftler dabei von ihren Kollegen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Die Innovationsforscher sind in dem Projekt für die Ergonomie, die Akzeptanz und die rechtlichen Aspekte der Technologie verantwortlich. Weitere Partner sind Optik- und Elektronikhersteller, Softwarefirmen, Anbieter von Biometrieprodukten, Sicherheitsunternehmen und Universitäten.

 

„Bis wir die Technik in ein Smartphone integrieren können, ist es noch ein langer Weg. Möglich wären auch kleine Zusatzmodule, die mit dem Smartphone via Bluetooth, NFC oder WLAN kommunizieren. Vielleicht ist das im ersten Schritt auch die vernünftigere Variante, da Mobiltelefone noch zu unsicher sind“, so Schelinski. Aus seiner Sicht hat die Technologie zwei wesentliche Vorteile gegenüber stationären Lösungen: „Erstens bleiben die Scans auf dem Gerät und landen in keiner Datenbank. Zweitens bin ich eher bereit, mich mit meinem eigenen Gerät zu scannen, als mit einem fest installierten Fremdsystem.“ Die Idee dahinter: Nicht der Retinaabgleich selbst ist notwendig, um Anwendungen zu nutzen. Vielmehr muss das Gerät – entweder das Smartphone oder der portable Scanner – den jeweiligen Besitzer eindeutig identifizieren. Ist das der Fall, ist dieses Gerät dann selbst der Schlüssel, um Geld abzuheben, das Auto aufzuschließen etc. „Bevor die Technologie den Massenmarkt erobern kann, müssen wir sie noch kompakter konstruieren. Unser Prototyp ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg“, sagt Schelinski.

Zurück