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Redaktion: Heinz Schmitz


Mit Serious Gaming zu ziviler Sicherheit

Serious Gaming
Das Spiel Emergency 5: Gamer können virtuell Einsätze von Rettungskräften simulieren. Auf dieser Basis entwickeln die Forscher ein Trainingssystem für Katastrophenschutz und freiwillige Helfer. (Quelle: Promotion Software GmbH)

Waldbrände und überlaufende Gewässer: Die Szenarien, die Nutzer von Feuerwehr-Strategiespielen zu sehen bekommen, bilden den Ernstfall einer Katastrophe ab – so realistisch, wie es nur geht. Einfaches Daddeln? Eben nicht. Das Besondere dabei: Das spielerische Lernen in einer simulierten Umgebung schult den Umgang mit Krisenereignissen – Einsatzkräfte wie zivile Bevölkerung. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppen zu verbessern und vor allem zu vernetzen, ist Ziel des Projektes TEAMWORK, an dem Forscher der Universität Paderborn unter der Koordination von Professor Dr.-Ing. Rainer Koch gemeinsam mit der Promotion Software GmbH, der PRO DV AG, dem Kreis Paderborn, der Feuerwehr Dortmund, der Universität der Bundeswehr München und fünf assoziierten Partnern arbeiten.

 

In wissenschaftlichen Communitys kommt das sogenannte Serious Gaming schon länger zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Spiele, die einen ernsten Hintergrund haben und Wissen vermitteln sollen – also nicht nur als belustigende Freizeitaktivität gedacht sind. Bei dem Spiel Emergency 5 können Gamer virtuell Einsätze von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst simulieren. Das Spiel ist nicht nur bei Laien beliebt, sondern auch bei Einsatzkräften. Hier setzt TEAMWORK an: Auf Basis von Emergency 5 entwickeln die Forscher aktuell ein softwarebasiertes Trainingssystem für den Katastrophenschutz und für freiwillige Helfer. Die Idee: Profis und Laien arbeiten bei der Spielentwicklung zusammen. Je nach Interesse finden sich die Nutzer in einer der drei Gruppen – dabei sind die Grenzen fließend – wieder: als Entwickler von Szenarien, als „Spieler“, die Lösungen hervorbringen, oder als diejenigen, die die durchspielten Szenarien anschließend in einer Community bewerten.

 

Ähnlich wie in Emergency 5 soll bei dem Trainingssystem der Editor, die Entwicklungsumgebung des Spiels, genutzt werden. Auf diese Weise können unterschiedliche Szenarien kreiert werden. Dabei werden Zusammenhänge einer Katastrophe abgebildet – beispielsweise große Niederschlagsmengen und daraus entstehendes Hochwasser. Wirkungszusammenhänge und Mechanismen werden zuvor als Modelle erfasst und festgelegt. Dazu Robin Marterer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am C.I.K. (Computeranwendung und Integration in Konstruktion und Planung) der Universität Paderborn und Projektleiter von TEAMWORK: „Hier geht es nicht nur um Naturkatastrophen, beispielsweise Brände oder Hochwasser. Auch die daraus resultierenden Problematiken wie mangelnde Trinkwasserversorgung oder ähnliche Notlagen sind besonders wichtig.“ Diese Phänomene können getrennt oder kombiniert in die Szenarien einfließen. Die Simulationssoftware modelliert dabei den Ort der Katastrophe, deren Umgebungsparameter und das Verhalten von Menschen realistisch. Das jeweilige Ereignis, zum Beispiel Hochwasser, wird zwar vorgegeben, der Schadensverlauf vom System aber dynamisch errechnet.

 

Serious Gaming Editor
Im Editor des Spiels erstellen die Nutzer unterschiedliche Szenarien selbst. (Quelle: Promotion Software GmbH)

„wisdom of the crowd“

Programmiert wird ein Katastrophenszenario, nicht aber dessen Lösungsweg. Hier sind Kreativleistungen der Gamer gefordert. Dabei stellen die Nutzer ihr Wissen, das sie über eine bestimme Gefahrenlage haben, der gesamten Anwendergruppe zur Verfügung. Nicht nur die Entwicklung der Szenarien sondern auch die Auswertung der Simulationsdurchläufe erfolgt kollaborativ. Das heißt, die jeweiligen Lösungen werden gesammelt und durch die Community bewertet, Ergebnisse stehen in einem webbasierten Portal zur Diskussion. Das Prinzip nennt sich „wisdom of the crowd“. Das Wissen, das sich die Beteiligten so aneignen, können sie später in möglichen Krisensituationen anwenden oder anderen zugänglich machen. Umgekehrt geben Entwickler und Nutzer ihr Wissen an die Community ab, wovon wiederum die Rettungs- und Einsatzkräfte profitieren.

 

Für die Praxispartner im Projekt ist es wichtig, entsprechend ihrem Wirkungskreis Einsätze im Ruhrgebiet und im Kreis Paderborn zu simulieren. 3D-Kartenmaterial für Paderborn und Dortmund gibt es bereits. Die dazu benötigten Geodaten kommen von Katasterämtern. Derzeit wird erarbeitet, wie Kartenmaterial für beliebige Szenario-Gebiete importiert werden kann. Zusätzlich sollen auch andere Daten (z.B. Wetterdaten) übernommen werden, um die Bedingungen möglichst realitätsnah abzubilden.

 

Erhöhung der Resilienz

Bei TEAMWORK sollen letztendlich auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse Handlungsempfehlungen für Einsatzkräfte formuliert werden. Marterer: „Wie setze ich Einsatzkräfte möglichst effektiv ein, um Schäden zu minimieren? Wie verhalte ich mich in bestimmten Gefahrenlagen? Welche Ereignisse haben welche Folgen? Durch das Entwickeln und Simulieren der Szenarien in TEAMWORK können wichtige Inhalte an die Nutzer transportiert werden.“ Neben konkreten Handlungsempfehlungen geht es auch um Logistik und Kosten. Der Hintergrund: Katastropheneinsätze und -übungen sind in der Realität höchst kosten- und ressourcenintensiv. TEAMWORK bietet den Vorteil, Übungseinsätze ohne viel Aufwand virtuell zu simulieren. Darüber hinaus tragen die aus der Simulation gewonnenen Erkenntnisse dazu bei, die genannten Faktoren zu verbessern und effizienter zu gestalten. Zusätzlich soll das Projekt die zivile Bevölkerung dazu befähigen, Not- und Katastrophenlagen künftig besser zu bewältigen. „Das Projekt soll die Resilienz der Bürger – also die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisenereignissen – stärken“, erklärt Marterer.

 

Aktuell befindet sich das Trainingssystem in der ersten Erprobungsphase und die Community beläuft sich auf die Kooperationspartner. In einem nächsten Schritt soll die Gruppe um sogenannte „Digital Volunteers“, das sind freiwillige Helfer, die über das Internet an TEAMWORK teilnehmen, erweitert werden. Bis 2019 soll das Trainingssystem für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich sein und in der Ausbildung von Einsatzleitern und Rettungskräften erprobt werden.

 

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