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Redaktion: Heinz Schmitz


Künstliche Intelligenz für Produktion

Künstliche Intelligenz in der Produktion
Wissenschaftler wollen eine Grundlage schaffen, damit die bislang nur punktuell genutzten Wertschöpfungspotentiale durch KI in der Produktion systematisch gehoben werden können. (Quelle: geralt/Pixabay)

Die Professoren der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) haben auf ihrer Herbsttagung einstimmig beschlossen, praktische Wege auszuarbeiten, damit Künstliche Intelligenz (KI) systematisch in die Produktion integriert werden kann. Es soll ein WGP-Standpunktpapier verfasst werden, das als ein Weckruf an Unternehmen gedacht ist, sich mit Fragen der KI praktisch auseinanderzusetzen. Es wird praktische Handlungsempfehlungen für die Einführung der Technologien enthalten uns soll bis zum Frühsommer 2019 fertiggestellt sein. „Künstliche Intelligenz birgt enorme Chancen, auch für die Produktionstechnik“, erläutert Prof. Berend Denkena, Präsident der WGP und Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz-Universität Hannover den Schritt. „Wir können und wollen als Forschungsgemeinschaft diesen Megatrend vorantreiben und werden zügig die für die Produktionstechnik bedeutenden Fragen ausarbeiten, um die neue Technologie künftig auch in der Produktion vermehrt nutzen zu können.“

 

Zwar habe es schon vor rund 30 Jahren Arbeiten zur Produktionsplanung oder der Maschinendiagnose mit künstlichen neuronalen Netzen gegeben. „Allerdings sind die zur Verfügung stehenden Datenmengen und auch die Möglichkeiten der Verarbeitung und Speicherung mittlerweile groß genug, um KI praktisch umzusetzen“, so Denkena. „Und diese Datenverfügbarkeit wird in Zukunft weiter steigen.“

 

Zwar gebe es an unterschiedlichen Instituten bereits Forschungsprojekte zur KI in der Produktion. „Wir wollen nun aber eine Grundlage schaffen, auf der die bereits existierenden Erfahrungen strategisch so weiterentwickelt werden, dass die bislang nur punktuell genutzten neuen Wertschöpfungspotentiale durch KI in der Produktion auch systematisch gehoben werden können“, berichtet Prof. Jörg Krüger, Initiator des Standpunktpapiers und Leiter des Fachgebiets Industrielle Automatisierungstechnik im Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin sowie Leiter des Geschäftsfeldes Automatisierungstechnik des Fraunhofer Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK in Berlin. „Als WGP verfügen wir mit unseren rund 40 Forschungsinstituten über ein einmaliges Domainwissen der Produktion. Dieses wollen wir auch zum Nutzen der deutschen Industrie einsetzen.“

 

Hohes Wertschöpfungspotential für die Produktion

Die WGP hat sich zu diesem Schritt entschieden, auch wenn Kritiker befürchten, dass der Hype um Künstliche Intelligenz zu überzogenen Erwartungen bezüglich der Geschwindigkeit ihres breiten Einsatzes in der Produktion führen könnte. „Mag sein, dass Technologien wie das so genannte Deep Learning – eine Teildisziplin des Machine Learning, die derzeit den Hype der KI ausmacht – den Höhepunkt der Hype-Welle überschritten haben“, gibt Krüger zu. „Trotzdem wird es technologisch weiterhin stark bergauf gehen, das Tempo der Innovationen womöglich sogar noch zunehmen. Deswegen investieren Forschungsinstitutionen in der Produktionstechnik derzeit kräftig in KI-Technologien und in Personal mit entsprechender Expertise.“

 

Dass dies die richtige Strategie ist, belegen Untersuchungen, die hohe Wertschöpfungspotentiale der KI für das produzierende Gewerbe aufzeigen. Das Institut für Innovation und Technik (iit) in Berlin berechnete in seiner im Juli 2018 erschienenen Studie PAiCE, dass das KI-induzierte zusätzliche Wachstum im produzierenden Gewerbe von 2019 bis 2023 bei 31,8 Mrd. Euro liegen wird. Das entspricht in etwa einem Drittel des gesamten Wachstums der Branche in diesem Zeitraum. KI-Anwendungen könnten dabei die Überwachung und Wartung von Produktionsanlagen, optimiertes Ressourcen- und Wissensmanagement, Qualitätskontrolle, Robotik und nicht zuletzt intelligente Assistenzsysteme sowie Sensorik sein. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Innovationssystems auch weiterhin zu gewährleisten, empfehlen die Berliner daher weitere Forschungsaktivitäten. Dabei seien KI-Technologien mit Querschnittscharakter, wie etwa das Maschinelle Lernen und Computer Vision, gezielt zu fördern.

 

Die richtigen Fragen finden und formulieren

 „Wir müssen aber auch den Transfer der KI in das produzierende Gewerbe fördern“, mahnt Krüger. „Noch ist der Wissenstransfer von der rasant fortschreitenden Forschung in die Wirtschaft ein Nadelöhr. Und auch die Ausbildung von Fachkräften hierzu wird noch nicht systematisch genug verfolgt. Das alles behindert den Transfer in die unternehmerische Praxis und damit die Wertschöpfung.“

 

Um diesen Transfer auf breiter Ebene in Gang zu bekommen und die vorhergesag-ten Potentiale schnell und effizient zu erschließen, sind produktionstechnische Kompetenzen gefragt. „Ein KI-System weiß nicht, was wir wie produzieren wollen“, erklärt Krüger. „Wir müssen also zuerst einmal die für die Produktion notwendigen Fragen an KI-Systeme definieren und formulieren.“ Natürlich dürfe dabei auch nicht der Blick über den Tellerrand vergessen werden. „Ohne Expertise aus den Informations- und Kommunikationstechnologien beispielsweise lassen sich unsere gesteckten Ziele nicht erreichen.“

 

Eine höhere Wertschöpfung dank KI sehen die WGP-Experten übrigens nicht nur in vollautomatisierten Systemen, die meist nur in größeren Konzernen zu finden sind. Auch in teilautomatisierten Systemen und Assistenzsystemen für den Werker ließe sich die Wertschöpfung dank KI deutlich erhöhen. „Schaffen wir es, KI systematisch in Produktionsprozesse zu integrieren, ergeben sich klare Wettbewerbsvorteile für die gesamte deutsche Industrie“, ist sich Krüger sicher.

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