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Redaktion: Heinz Schmitz


Elektronische Selbstorganisation bei Schaltelementen

Das Verhalten stark wechselwirkender Elektronen sorgt immer wieder für Überraschungen. So auch im Fall des stark zweidimensionalen Materials Tantaldisulfid. Dieses Material besteht aus einer Stapelung einzelner Schichten, die aus dem Übergangsmetall Tantal und Schwefel gebildet werden und eine interessante Wabenstruktur besitzen. Solche zweidimensionalen Schichten sind besonders seit der Entdeckung Graphens mit seinen besonderen Eigenschaften in den Fokus der Materialforscher gerückt.

 

Tatsächlich zeigt auch Tantaldisulfid eine Reihe außergewöhnlicher elektronischer Eigenschaften. Besonders hervorstechend ist hierbei die Koexistenz von Supraleitung und Ladungsdichtewellen. Während im ersten Fall die Ladungen ohne jeglichen Widerstand durch das Material fließen, kristallisieren sie im zweiten Fall und bilden ein statisches, räumlich geordnetes Gitter. Auf den ersten Blick scheinen sich diese beiden Phänomene daher auszuschließen.

 

Das veranlasste die Wissenschaftler, sich Tantaldisulfid genauer anzuschauen. An den beiden Synchrotronstrahlungsquellen des Deutschen Elektronensynchrotrons in Hamburg und des Helmholtz-Zentrums in Berlin beobachteten sie das ungewöhnliche Verhalten der Elektronen experimentell auf mikroskopischer Ebene. Gleichzeitig führten die Dresdner Forscher aufwendige theoretische Analysen durch und offenbarten dadurch ein erstaunliches Phänomen: die Ausbildung komplexer orbitaler Texturen.

 

Diese erstmals entdeckten orbitalen Texturen liefern Antworten auf eine Vielzahl lange offener Fragen im Bereich der Grundlagenforschung an Tantaldisulfid und vergleichbaren Schichtsystemen. Das betrifft die komplexe, sehr variable Kristallstruktur, die ungewöhnlichen Eigenschaften von Valenz- und Leitungselektronen und auch die eingangs schon erwähnten Phänomene Supraleitung und Ladungsdichtwellen.

 

Diese Ergebnisse bergen darüber hinaus ein großes Anwendungspotential. Durch die Stapelung orbital geordneter Ebenen ist es prinzipiell möglich, kontrolliert und schnell zwischen Metall und Halbleiter zu schalten. Tatsächlich gibt es erste Hinweise, dass optische Lichtpulse innerhalb von Femtosekunden zwischen diesen beiden elektronischen Zuständen schalten. Diese Entdeckung aus der Grundlagenforschung ist daher für die Entwicklung miniaturisierter, ultra-schneller Schaltelemente und Sensoren von Bedeutung. Dabei ist die geschichtete Struktur von Tantaldisulfid und ähnlichen Verbindungen besonders attraktiv für technologische Anwendungen, da sie die Herstellung von Nanostrukturen aus ein oder zwei Ebenen sehr stark vereinfacht. Zusätzlich treten die elektronischen Ordnungen oft schon bei Raumtemperatur auf.

 

Es bleiben natürlich noch viele Fragen offen, insbesondere was die optisch getriebenen Schaltvorgänge betrifft. Die zukünftigen Arbeiten der Forscher werden sich daher genau auf diese Schaltprozesse konzentrieren, wobei modernste zeitaufgelöste Experimente zum Einsatz kommen werden. Man darf also weiterhin gespannt sein.

 

Originalpublikation:

„Orbital textures and charge density waves in transition metal dichalcogenides“, T. Ritschel, J. Trinckauf, K. Koepernik, B. Büchner, M. v. Zimmermann, H. Berger, Y. I. Joe, P. Abbamonte and J. Geck, Nature Physics (2015), doi:10.1038/nphys3267

http://www.nature.com/nphys/journal/v11/n4/full/nphys3267.html

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