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Redaktion: Heinz Schmitz


Ein Plasma aus Materie und Antimaterie

Im täglichen Leben begegnet uns die Materie in drei Zuständen: fest, flüssig, gasförmig. Hinzu kommt als weitere Form das durch seine Eigenschaften ausgezeichnete Plasma: Ein insgesamt neutrales aber ionisiertes Gas, das aus positiven Ionen und freien Elektronen besteht und das auch als vierter Zustand der Materie bezeichnet wird. Nun hat eine Gruppe von Experimentalphysikern der Queen’s University Belfast in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Theoretische Quantendynamik des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik erstmals ein neuartiges Plasma im Labor hergestellt, das ausschließlich aus Elektronen und ihren Antiteilchen (Positronen) besteht.

 

Das Positron ist das Antiteilchen zum Elektron, das mit diesem alle Eigenschaften gemeinsam hat, bis auf die Ladung mit entgegengesetztem Vorzeichen. Ultrarelativistische Jets aus einem Elektron-Positron-Plasma treten in verschiedenen astrophysikalischen Szenarien unter extremen Bedingungen auf, so z. B. in den Quellen von Gamma-Blitzen. Somit stellen sie ein einzigartiges Werkzeug zum Test von bisher unerforschten Gebieten der Physik dar und bieten zugleich tiefere Einblicke in die Eigenschaften des frühen Universums. Die Möglichkeit der Erzeugung dieses speziellen Materiezustands erlaubt die genaue Untersuchung solcher Phänomene unter kontrollierten Bedingungen. Dieses Ziel hat nun ein Team von Experimentalphysikern um Dr. Gianluca Sarri und Prof. Matthew Zepf von der Queen’s University Belfast in intensiver Zusammenarbeit mit Antonino Di Piazza und Christoph H. Keitel aus der Abteilung für Theoretische Quantendynamik des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg erreicht.

 

Das Experiment wurde an der Astra Gemini Laser Facility des Rutherford Appleton Laboratory in Oxfordshire (UK) durchgeführt. Ein ultrarelativistischer Elektronenstrahl, erzeugt durch Beschleunigung im elektromagnetischen „Fahrwasser“ eines hochintensiven optischen Laserpulses, trifft auf ein festes Bleitarget. Die eingeschossenen Elektronen wechselwirken in komplizierter Weise mit den Kernen und Elektronen der Bleiatome und erzeugen ein Paket aus ultrarelativistischen Elektronen und Positronen, das nach dem Austritt aus dem Target auf dessen Rückseite nachgewiesen werden kann. Dabei hängt der jeweilige Anteil von Elektronen und Positronen von der Dicke des Targets ab (siehe Abb. 1). Die Dichte des Plasmas erwies sich als ausreichend hoch, um kollektive Effekte zu zeigen. „Unsere Hauptaufgabe war, die wesentlichen Mechanismen zur Produktion eines Elektron-Positron-Pakets zu identifizieren, dessen Bildung und Entwicklung innerhalb des Festkörpertargets möglichst prägnant und einfach zu beschrieben und so die zugrundeliegende Physik zu ergründen“, sagt Antonino Di Piazza.

 

Heraus kam ein überraschend simples Modell, das – neben allen möglichen Wechselwirkungen innerhalb des Targets – nur zwei fundamentale Prozesse der Quantenelektrodynamik beinhaltet, die beide in Gegenwart der durch die Atomhülle abgeschirmten elektromagnetischen Felder der Targetkerne auftreten: 1. Bremsstrahlung von Elektronen und Positronen und 2. Elektron-Positron-Paarerzeugung durch Photonen. Sowohl analytische als auch numerische Rechnungen stimmen sehr gut mit den experimentellen Resultaten für die relativen Anteile von Elektronen und Positronen in dem erzeugten Plasmastrahl überein (siehe insbesondere die blauen Punkte und die grüne gestrichelte Linie in Abb. 1c). Absolute Ausbeuten an Elektronen und Positronen werden durch das Modell ebenfalls gut vorhergesagt. Um noch mehr Details der experimentellen Befunde theoretisch zu reproduzieren, hat Gianluca Sarri den verfügbaren integrierten Monte-Carlo-Simulationscode für Teilchenphysik FLUKA angewendet (rote Punkte in Abb. 1). Dieser beinhaltet u. a. die Wechselwirkung der Elektronen und Positronen untereinander und mit den Targetatomen sowie Hochenergieprozesse wie die Erzeugung von Myon-Antimyon-Paaren (den nächst schwereren „Verwandten“ von Elektronen/Positronen unter den Elementarteilchen). Diese Mechanismen reduzieren die Ausbeute gegenüber dem einfachen analytischen Modell um ca. 25%.

Abb. 1: Vergleich Experiment/Theorie für Anzahl der Elektronen (a), Positronen (b) und Positronen-Anteil (c). Blau: exp. Daten; rot: FLUKA-Simulation; grün: Modellrechnung, in (a) und (b) x 0,75. (Quelle: Queen's University Belfast / MPIK)

 

 

Originalveröffentlichung:

Generation of neutral and high-density electron–positron pair plasmas in the laboratory G. Sarri, K. Poder, J. Cole, W. Schumaker, A. Di Piazza, B. Reville, T. Dzelzainis, D. Doria, L.A. Gizzi, G. Grittani, S. Kar, C.H. Keitel, K. Krushelnick, S. Kuschel, S.P.D. Mangles, Z. Najmudin, N. Shukla, L.O. Silva, D. Symes, A.G.R. Thomas, M. Vargas, J. Vieira and M. Zepf Nature Communications 6:6747 (2015); DOI: 10.1038/ncomms7747

 

Siehe auch:

http://www.nature.com/ncomms/2015/150423/ncomms7747/full/ncomms7747.html

http://www.mpi-hd.mpg.de/keitel/dipiazza

http://www.qub.ac.uk/research-centres/CentreforPlasmaPhysics

https://www.stfc.ac.uk/CLF/Facilities/Astra/Astra+Gemini/12258.aspx

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