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Redaktion: Heinz Schmitz


Durch Quantensimulation Magnetismus besser

Magnetismus ist bereits seit mehr als 2.000 Jahren bekannt und wurde schon früh etwa für die Entwicklung des Kompass genutzt, dessen Nadeln sich am Magnetfeld der Erde ausrichten. Trotzdem konnten die mikroskopischen Ursachen von Magnetismus erst nach der Entwicklung der Quantenmechanik zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstanden werden. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehörte, dass Elektronen sich in einem Festkörper wie winzige Kompassnadeln verhalten, die sich an einem äußeren Magnetfeld ausrichten und sich außerdem gegenseitig beeinflussen. Die magnetischen Eigenschaften eines Festkörpers hängen davon ab, wie sich in ihnen benachbarte Elektronen relativ zueinander ausrichten. Bei ferromagnetischen Werkstoffen wie zum Beispiel Eisen zeigen alle Elektronen in die gleiche Richtung. Beim sogenannten Antiferromagnetismus zeigen benachbarte Elektronen in jeweils entgegengesetzte Richtungen.

 

Für ihre Quantensimulation haben die Heidelberger Physiker nur sehr wenige, nämlich maximal vier Atome verwendet. „Das exakte Präparieren einer so kleinen Anzahl an Atomen ist eine große technische Herausforderung. Es erlaubt uns jedoch, den Zustand der Atome sehr präzise zu kontrollieren“, erläutert Simon Murmann, der der Arbeitsgruppe von Prof. Jochim angehört und sich in seiner gerade abgeschlossenen Doktorarbeit mit dieser Thematik befasst hat. Die Atome befinden sich dabei in einer Falle aus Laserlicht, die nur die Bewegung in eine Raumrichtung erlaubt. Sie unterliegen ähnlichen fundamentalen Gesetzmäßigkeiten wie Elektronen in einem Festkörper, jedoch können die Physiker die Wechselwirkung zwischen den Atomen präzise kontrollieren.

 

„Anfänglich besteht keine Wechselwirkung zwischen den Atomen. In diesem Zustand können sie sich ohne Ordnung in der Falle frei bewegen. Wenn wir jedoch eine größere Abstoßung zwischen den Atomen einstellen, kommen die Atome nicht mehr aneinander vorbei und ordnen sich in einer Kette an. In dieser Kette zeigen die Atome immer abwechselnd nach oben und nach unten. Somit wird ein antiferromagnetischer Zustand herbeigeführt“, sagt der Heidelberger Wissenschaftler.

 

Diese Beobachtung ist für die Forscher von besonderem Interesse, weil Antiferromagnetismus mit physikalischen Phänomenen in Verbindung gebracht wird, die weitreichende Anwendungen ermöglichen könnten. „So wurde Supraleitung, also der verlustfreie Transport von elektrischen Strömen, bei vergleichsweise hohen Temperaturen von lediglich minus 135 Grad Celsius in antiferromagnetischen Materialien beobachtet“, betont Selim Jochim. „Mit unseren Experimenten wollen wir zum Verständnis fundamentaler Prozesse in Festkörpern beitragen. Eine Vision in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung neuer Materialien, die auch bei Raumtemperatur supraleitend bleiben.“

Atome (dargestellt in grün und blau) sind in einer Falle aus Laserlicht (rot) gefangen, in welcher sie sich nur entlang einer Raumrichtung bewegen können. Die Atome können entweder nach oben (grün), oder nach unten (blau) ausgerichtet sein, ähnlich der Nadel in einem Kompass. Wenn die Atome nicht miteinander wechselwirken, können sie sich frei in der Falle bewegen (oberes Bild), dabei ist keine Ordnung zu erkennen. Bei starker Abstoßung zwischen den Atomen (unteres Bild), ordnen sie sich selbstständig in der Falle an und zeigen abwechselnd noch oben und nach unten. (Quelle: Uni Heidelberg)

 

Originalpublikation:

  1. Murmann, F. Deuretzbacher, G. Zürn, J. Bjerlin, S. M. Reimann, L. Santos, T. Lompe, S. Jochim: Antiferromagnetic Heisenberg Spin Chain of a Few Cold Atoms in a One-Dimensional Trap. Physical Review Letters (published online on 19 November 2015), doi: 10.1103/PhysRevLett.115.215301

 

Siehe auch:

http://ultracold.physi.uni-heidelberg.de

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