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Redaktion: Heinz Schmitz


Cyberattacken auf Olympia unter falscher Flagge

Hackerangriff auf Olympia
Während der olympischen Winterspiele in Pyeongchang wurden IT-Systeme und Infrastruktur von der Malware Olympic Destroyer angegriffen. (Quelle: geralt/Pixabay)

Die Experten von Kaspersky Lab veröffentlichen neue Untersuchungsergebnisse über die Malware ,Olympic Destroyer‘, die während der olympischen Winterspiele in Pyeongchang IT-Systeme und Infrastruktur angegriffen hat. Die Studie zeigt: Die Wurm-Malware wurde von den Hintermännern mit einer besonders raffinierten falschen Flagge (False Flag) ausgestattet, um ihre wahre Herkunft zu verbergen. Während der Winterspiele machten nicht nur die sportlichen Leistungen, sondern auch die Malware Olympic Destroyer Schlagzeilen. Der Wurm legte im Vorfeld der Eröffnungsfeier in Pyeongchang zeitweise die IT-Systeme lahm. So fielen Monitore und WLAN-Angebote aus, aber auch die Website der Olympischen Spiele, so dass Besucher beispielsweise keine Karten mehr drucken konnten. Laut Kaspersky Lab waren zudem Einrichtungen an den Skipisten in Südkorea betroffen: Zugänge und Skilifte in den Skigebieten funktionierten nicht mehr. Auch wenn die Malware letztlich keine gravierenden Folgen hatte, zeigte sie doch ihr zerstörerisches Potenzial.

 

Die Cybersicherheitsbranche ist jedoch weniger an den tatsächlichen oder möglichen Schäden durch diese Cyberattacke interessiert, sondern eher an der Enttarnung der Hintermänner. Wahrscheinlich gab es bei keinem Cyberangriff zuvor so viele Vermutungen über dessen Zuschreibung wie im Fall Olympic Destroyer. Noch Tage nach seiner Entdeckung arbeiteten Analyseteams aus aller Welt gemeinsam an einer möglichen Zuschreibung der Malware zu Russland, China oder Nordkorea. Die Experten untersuchten dazu eine Reihe bereits bekannter Merkmale, die Akteuren im Bereich Cyberspionage und Sabotage zugeschrieben wurden und die aus den genannten Ländern stammen oder im Dienst der jeweiligen Regierungen stehen könnten.

 

Die Spuren sind eindeutig, doch wer hat sie gelegt?

Auch die Kaspersky-Experten wollten wissen, welche Hackergruppe hinter der Malware steckt. An einem bestimmten Punkt ihrer Untersuchungen stießen sie auf einen Hinweis, der ganz klar auf eine Verbindung zur Lazarus-Gruppe hindeutete. Die berüchtigte Gruppe wird mit Nordkorea in Zusammenhang gebracht.

 

Die Zuordnung beruhte auf einer eindeutigen Spur, welche die Angreifer hinterlassen hatten. Die Kombination bestimmter Features der Entwicklungsumgebung, die sich in den Dateien wiederfinden, kann als eine Art Fingerabdruck angesehen werden, mit dem sich manchmal die Hintermänner der Malware und ihre Projekte identifizieren lassen. Bei dem Sample, das Kaspersky Lab analysiert hatte, zeigte dieser Fingerabdruck eine hundertprozentige Übereinstimmung mit früheren Lazarus-Malware-Komponenten und keinerlei Verbindungen zu anderen, bislang bei Kaspersky Lab bekannten Dateien, egal ob schädlich oder unschädlich. Da es weitere Ähnlichkeiten hinsichtlich der eingesetzten Taktiken, Techniken und Prozeduren (TTPs) gab, nahmen die Experten zunächst an, Olympic Destroyer sei eine Operation von Lazarus. Kaspersky Lab untersuchte jedoch auch die geschädigten Einrichtungen in Südkorea. Dort stießen die Experten auf Ungereimtheiten zu den Lazarus-typischen Prozeduren. Aus diesem Grund und wegen der Motivlage des Angriffs begutachteten die Kaspersky-Experten das außergewöhnliche Artefakt erneut.

 

Bei dieser zweiten Untersuchung der Hinweise mit einer manuellen Verifikation jedes einzelnen Merkmals erkannten die Experten, dass das Set der Merkmale nicht zum Code passte. Es wurde gefälscht, um eine perfekte Übereinstimmung mit dem Fingerabdruck von Lazarus zu suggerieren.

 

Die Experten werten daher den Fingerabdruck der Merkmale als einen hochentwickelten False-Flag-Hinweis, der ganz bewusst in die Malware eingebaut wurde. Bei der Gefahrenanalyse sollte der Eindruck entstehen, einen unzweifelhaften Hinweis gefunden zu haben und so von einer weiteren, intensiveren Analyse absehen zu können.

 

Geopolitische Lage: Sorgfalt bei der Zuschreibung wichtig

 „Nach unseren Informationen wurde der von uns gefundene Hinweis noch nie bei einer Zuschreibung verwendet. Dennoch haben die Angreifer beschlossen, ihn zu nutzen, in der Annahme, jemand würde ihn finden“, erklärt Vitaly Kamluk, Head of APAC Research Team bei Kaspersky Lab. „Sie setzten darauf, dass eine Fälschung des Artefakts nur sehr schwer zu beweisen ist. Das ist so, als hätten Kriminelle die DNA eines Dritten gestohlen und würden diese dann statt ihrer eigenen am Tatort hinterlassen. Wir haben entdeckt und können auch beweisen, dass die am Tatort gefundene DNA absichtlich dort platziert wurde. All das zeigt den enormen Aufwand, den Angreifer aufzuwenden bereit sind, um so lange wie möglich unentdeckt zu bleiben. Wir haben immer gesagt, dass die Zuschreibung im Cyberspace sehr schwierig ist, weil viele Dinge gefälscht werden können. Olympic Destroyer ist dafür ein sehr gutes Beispiel.“

 

Kamluk führt eine weitere Problematik an: „Was wir aus der Angelegenheit lernen konnten ist, dass die Zuschreibung von Cyberattacken äußerst sorgfältig betrieben werden muss. Zieht man in Betracht, wie politisch aufgeladen der Cyberspace derzeit ist, könnte eine falsche Zuordnung zu schweren Konsequenzen führen. Akteure könnten versuchen, Einschätzungen der Sicherheitsbranche zu manipulieren und die geopolitische Agenda zu beeinflussen.“

 

Tatsächlich steht für Olympic Destroyer die genaue Zuschreibung noch aus, denn die Malware ist ein einzigartiges Beispiel für die Implementierung einer hochentwickelten falschen Flagge. Jedoch haben die Kaspersky-Experten ausmachen können, dass die Angreifer zum Schutz der Privatsphäre den Dienst NordVPN und einen Hosting Provider namens MonoVM genutzt haben. Beide akzeptieren Bitcoins. Diese und weitere ermittelte TTPs wurden bereits von Sofacy genutzt, einem russischsprachigen Akteur.

 

Siehe auch:

https://securelist.com/olympicdestroyer-is-here-to-trick-the-industry/84295/

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