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Redaktion: Heinz Schmitz


Bedenken gegen Vorratsdatenspeicherung

Zu dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur „Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“, mit dem die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten wieder eingeführt wird, erklärt die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein, Marit Hansen: „Auch mit dieser gesetzlichen Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung wird massiv in die Grundrechte eingegriffen: Betroffen ist jede Nutzerin und jeder Nutzer von Telekommunikationsdiensten, ganz unabhängig davon, ob es einen Anlass dafür gibt. Nicht einmal die Kommunikation in besonderen Vertrauensbeziehungen sind von der Speicherung ausgenommen, beispielsweise das Telefongespräch mit der Ärztin oder das Fax vom Rechtsanwalt. Zwar sollen die Inhalte nicht gespeichert werden. Doch die gespeicherten Verkehrsdaten – zehn Wochen für Internet- und Telefonnutzungsdaten und vier Wochen für Standortdaten – sind oft ebenso aufschlussreich wie die Inhalte. Denn aus ihnen lässt sich ablesen, mit welchen Personen die Betroffenen wie oft kommunizieren und wann sie sich an welchen Orten aufhalten. Daraus lassen sich das soziale Beziehungsgeflecht einer Person und ihr Bewegungsprofil ableiten. Auch Rückschlüsse auf Inhalte sind häufig anhand der Kenntnis über Gesprächspartner möglich. Hinzu kommt, dass – anscheinend aus technischen Gründen – doch in einem Fall Inhalte gespeichert werden: bei den versandten SMS-Nachrichten.

 

Aus gutem Grund haben das Bundesverfassungsgericht und der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Speicherung nur unter engen Voraussetzungen und mit strengen Anforderungen an die Datensicherheit vorgesehen. Diese Bedingungen erfüllt das beschlossene Gesetz nicht: Es fehlt nach wie vor eine valide Begründung dafür, dass die massenhafte anlasslose Speicherung zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung erforderlich ist. Besonders bedauerlich ist, dass weniger eingriffsintensive Maßnahmen, wie etwa das Einfrieren von Verkehrsdaten im tatsächlichen Bedarfsfall (so genanntes „Quick Freeze“), gar nicht geprüft wurden. Auch die Vorgabe des EuGH, hinsichtlich der Datenarten, der Speicherfristen und der Verwendungszwecke zu differenzieren, ist nicht ausreichend umgesetzt. Zudem halte ich den Schutz der Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern (z. B. Ärzten, Rechtsanwälten oder Journalisten) für ungenügend.

 

Die Gerichte haben darüber hinaus besonders hohe Schutzmaßnahmen gefordert, um die Zweckbindung der Vorratsdaten sicherzustellen. Das Gesetz legt dafür allerdings nur den groben Rahmen fest. Für die nähere Ausgestaltung soll ein Anforderungskatalog erarbeitet werden. Gegenwärtig ist also fraglich, ob die Grundvoraussetzung der Sicherheit für diese besonders sensiblen Datensammlungen tatsächlich gewährleistet werden kann.“

 

Auch der Digitalverband Bitkom sieht die schnelle Verabschiedung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung im Bundestag kritisch. „Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wird im Eilverfahren durch das Parlament gebracht. Aus unserer Sicht hätte es die Möglichkeit zur intensiveren Diskussion dieses umstrittenen Themas geben müssen“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Bei der Vorratsdatenspeicherung müssten Sicherheitsinteressen und Bürgerrechte sehr sorgfältig abgewogen werden. Rohleder: „Es ist fraglich, ob die angestrebten Ermittlungserfolge einen derart starken Eingriff in die Grundrechte der Bürger rechtfertigen.“

 

Für die Telekommunikationswirtschaft bedeutet das Gesetz einen hohen technischen und personellen Aufwand. „Die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung ist für die Unternehmen sehr aufwändig und wird nach unseren Schätzungen einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag kosten“, sagte Rohleder. So entstehen einmalige Ausgaben für die technische Infrastruktur und laufenden Kosten für den Betrieb der Systeme sowie für die Bearbeitung der Behördenanfragen. Kritisch sieht der Verband auch, dass die betroffenen Unternehmen im Gesetzgebungsverfahren nicht gehört wurden. „Die Telekommunikationswirtschaft muss die gesetzlichen Vorgaben umsetzen, wurde zur praktischen Ausgestaltung des Gesetzes aber gar nicht gefragt“, sagte Rohleder. Das habe zum Beispiel zu Formulierungen geführt, nach denen „die Speicherung entkoppelt vom Internet“ erfolgen soll. Noch sei unklar, wie eine solche Vorgabe umzusetzen ist. Rohleder: „Die Unternehmen müssen sich auf eine längere Phase der Rechtsunsicherheit einstellen, weil das Gesetz mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder vor dem Verfassungsgericht landen wird.“

 

Siehe auch:

www.datenschutzzentrum.de

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