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Redaktion: Heinz Schmitz


Wegen Digitalisierung Wirtschaft neu erfinden

Die digitale Revolution stellt Deutschlands Wirtschaft vor große Herausforderungen. Auch die Dienstleistungen hat der Umbruch längst erfasst. Einige Vorreiterunternehmen denken ihre Strategien bereits grundlegend neu und arbeiten an nachhaltigen Konzepten. Doch viele bleiben bei der Suche nach dem richtigen Weg in die digitale Zukunft bislang erfolglos. Wissenschaftler des BMBF-Projekts digit-DL erklären, warum und wie die Umgestaltung der Wirtschaft funktionieren könnte. „Zwei dominante Positionen bestimmen derzeit die öffentliche Debatte um das Thema Digitalisierung“, berichtete PD Dr. Andreas Boes, Vorstand am ISF München, vor rund 170 hochrangigen Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, die im Rahmen der ersten digit-DL-Konferenz in München das Thema „Digitalisierung der Gesellschaft und Herausforderungen für die Dienstleistungen der Zukunft“ diskutierten. „Auf der einen Seite die Mahner, die mit der derzeitigen Entwicklung nur Gefahren verbinden, auf der anderen die Technikoptimisten, die in der Digitalisierung ein Allheilmittel für alle Probleme der Menschheit sehen.“ Nach seinen Beobachtungen stehen beide Gruppen jedoch vor dem gleichen Problem.

 

„Optimisten wie Pessimisten betrachten die neue, informatisierte Wirtschaft in den alten technizistischen Denkmustern, die noch aus der Maschinenwelt des 19. Jahrhunderts stammen“, erläutert der Soziologe und fährt fort: „Beide Positionen machen uns so zu Ohnmächtigen, zu Objekten einer verselbstständigten Technik.“ Der derzeitige Umbruch in der Wirtschaft ist aber nach Überzeugung der Wissenschaftler des Projekts nicht ausschließlich als Folge technologischer Innovationen zu deuten. Die vorherrschende Diskussion um Industrie 4.0 greife deswegen zu kurz: „Nicht die Verwandlung der Welt in regelorientierte Maschinensysteme ist das Neue, sondern deren produktive Verbindung mit sinnbezogener Kommunikation zwischen Menschen macht den Unterschied aus“, so Boes.

 

Dies gelinge auf der Grundlage eines weltweit verfügbaren „Informationsraums“. „Dieser Raum ist aber weit mehr als eine technische Infrastruktur, auch wenn er sich auf der Basis des Internets entwickelt hat“, erklärt Boes. „Er ist ein sozialer Handlungsraum, in den Millionen von Menschen Informationen einspeisen. Und für die Unternehmen wird er zum neuen Raum der Produktion.“ Seine Infrastruktur sei zwar digitalisiert und programmiert. Die Weiterverwertung von Informationen aber beruhe auf menschlichem Handeln und auf sinnbezogener Verständigung.

 

Mit der Nutzung des Informationsraums wächst die Bedeutung der Welt der Informationen. Sie wird zur entscheidenden Bezugsebene für Wirtschaft und Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund werden in den Unternehmen Produktionsmodelle und Geschäftsmodelle für Dienstleistung, aber auch Arbeit, Führung und Personalentwicklung neu gedacht. Auf der Konferenz haben die Vorreiter dieser Entwicklung, hochrangige Vertreter von andrena objects ag, IBM, SAP SE, Software AG, szenaris GmbH, der Taunus Sparkasse und T-Systems International GmbH, ihre Zukunftskonzepte präsentiert. Deutlich wurde vor allem, dass mit der Cloud immer mehr Unternehmen die Grundlage dafür legen, den Informationsraum für die Entwicklung, die Erbringung und den Vertrieb von Dienstleistung zu nutzen.

 

Die Konferenz hat aber auch gezeigt, dass die Digitalisierung nicht nur Chancen birgt. Ihre Gestaltung ist eine zentrale Aufgabe für die Gesellschaft insgesamt. Entscheidend ist, dass der Mensch nicht Objekt dieses radikalen Wandels ist, sondern das Heft des Handelns in der Hand hat – so das Credo der Veranstaltung. Christiane Benner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, betonte, dass die komplexe Umgestaltung der Wirtschaft nicht nur die Strategen in den Unternehmen vor große Herausforderungen stellt, sondern auch die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen. Die rasante Dynamik der Digitalisierung bekomme jeder Beschäftigte zu spüren – im negativen wie im positiven Sinn. Hier sei neben der Wirtschaft auch die Politik gefragt. Regulierungen über das Sozial- und Persönlichkeitsrecht, Mindestentgelte auch für die Arbeit im Netz und – mit Blick auf die stetig wachsende Anzahl von „Crowdsourcees“ – eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte seien mögliche Stellschrauben, um Unternehmen gemeinsam mit den Beschäftigten in die digitale Zukunft zu führen. „Gute digitale Arbeit ist möglich“, zeigte sich Benner überzeugt, „aber nur, wenn wir sie gestalten.“

 

Weitere Informationen unter:

http://www.digit-dl-projekt.de

http://www.isf-muenchen.de

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