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Redaktion: Heinz Schmitz
Was haben OLED und Vogelzug gemeinsam?
Wie gelingt es Vögeln, das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen? Eine mögliche Antwort auf diese lang umstrittene Frage bietet nun ein einfaches Modell, das auf den aus Handydisplays bekannten organischen Leuchtdioden (OLEDs) basiert. Ein Forscherteam von der Universität Regensburg und der University of Utah (USA) hat erstmals gezeigt, dass sich der Strom einer OLED auch mit kleinsten magnetischen Feldern schalten lässt. Diese Felder entsprechen einer Energie, die über eine Millionen Mal geringer ist als die Wärmeenergie bei Raumtemperatur.
Für die Umwandlung von Strom in Licht bringen OLEDs positive und negative Ladungen zusammen, sogenannte Elektronen und Löcher. Diese Elementarladungen haben neben der elektrischen Eigenschaft noch ein weiteres Merkmal: Ein Elektron verhält sich, mikroskopisch gesehen, wie ein kleiner Stabmagnet. Richten sich viele dieser Stabmagnete zusammen in die gleiche Richtung aus, so spricht man von Magnetismus. Allerdings sind diese Ladungen nicht die einzigen „Kompassnadeln“ in der OLED. Organische Halbleiter heißen so, weil sie aus Kohlenwasserstoffen bestehen. Auch die Atomkerne des Wasserstoffs, die Protonen, haben ein magnetisches Moment – man spricht von einem „Spin“.
Die Spins der Elektronen und der Protonen können untereinander wechselwirken, genauso wie verschiedene Stabmagnete aneinander koppeln. Allerdings handelt es sich beim Spin um eine quantenmechanische Größe, deren Eigenschaften sich mit klassischen Analogien aus dem Alltag nicht vollständig veranschaulichen lassen. Am ehesten lässt sich der Elektronenspin mit einem sich drehenden Kreisel vergleichen. Der Protonenspin übt eine Kraft auf den Elektronenspin aus, er führt zu einer gewissen Ablenkung der Kreiselbewegung: der Kreisel fängt an zu „eiern“. Genau diese vom Kinderspielzeug bekannte Bewegung lässt sich jetzt direkt zeitaufgelöst im Strom einer OLED beobachten.
Es wurde schon lange vermutet, dass der Strom einer OLED von den magnetischen Eigenschaften der Protonen abhängt. Die Forscher um Prof. Dr. John Lupton (Regensburg) und Prof. Dr. Christoph Boehme (Utah) benutzten einen Trick, um diese Hypothese zu überprüfen. Mittels der aus der medizinischen Diagnostik bekannten Kernspinresonanz gelang es, die magnetischen Momente der Protonen gezielt zwischen Nord- und Südausrichtung zu schalten. Dieses Schalten hat einen direkten Einfluss auf den elektrischen Strom, der durch die OLED fließt.
Das Erstaunliche an den neuen Experimenten ist, dass die magnetische Kraft des Protons über tausend Mal geringer ist als die des Elektrons. Trotzdem bestimmt die Ausrichtung der Protonen den elektrischen Strom der Elektronen. Die Ursache hierfür ist in den quantenmechanischen Eigenschaften des Elektronenspins zu finden. Dieser lässt sich als eine Art Welle veranschaulichen, als eine regelmäßige Schwingung. Durch diese wiederkehrende Oszillation können auch kleinste Störungen zu einem großen messbaren Signal aufgebaut werden, ähnlich wie in akustischen Resonanzphänomenen, beispielsweise in einer Trompete.
Genau diese Spinschwingungen wurden bislang auch als mögliche Erklärung für den Magnetfeldsinn einiger Tiere, insbesondere der Zugvögel, vorgebracht, wobei zahlreiche Aspekte des physikalischen Mechanismus bislang im Dunkeln blieben. Die neue Perspektive auf die Elektron-Proton- Wechselwirkung in OLEDs eröffnet die Möglichkeit, konkrete quantenmechanische Experimente zu konzipieren, um die auf das Tierreich bezogenen Hypothesen direkt an einem Halbleiterbauelement zu überprüfen.
Originalveröffentlichung:
Room-temperature coupling between electrical currents and nuclear spins in OLEDs, Fachjournal “Science”, Vol. 345/1487, (DOI: 10.1126/science.1255624).