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Redaktion: Heinz Schmitz
VR statt Wald?
Der Herbst ist da. Die Tage werden nun wieder dunkler und kürzer. Die Folge: Viele Menschen bleiben häufiger zu Hause. Doch gerade für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, die Natur draußen zu erleben und nicht nur Zeit vor dem heimischen Tablet oder Smartphone zu verbringen. Wie die digitale Transformation und das Naturerleben miteinander verknüpft werden können, erklärt Prof. Dr. Hendrik Müller, Wirtschaftsethiker und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
Nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 6 bis 9 weiß, in welcher Himmelsrichtung die Sonne aufgeht, so das Ergebnis des jüngsten ‚Jugendreports Natur' aus dem Jahr 2016. Demnach hat die Distanz zur Natur bei deutschen Kindern und Jugendlichen in den vergangenen 20 Jahren immer mehr zugenommen. Eltern tragen ihren Teil zu dieser Entwicklung bei: Insbesondere viele Stadtkinder gaben an, dass sie nicht unbeaufsichtigt und ohne elterliche Kontrolle in der Natur spielen dürfen. „Dabei sind die positiven Auswirkungen von direkten Naturerfahrungen durch zahlreiche Studien belegt“, so Prof. Müller. „Der direkte Kontakt mit der Natur stärkt nicht nur die physische und psychische Gesundheit, sondern hat auch einen besonders positiven Einfluss auf die soziale Entwicklung von jungen Menschen.“ Als Gründe für das wachsende Desinteresse werden zum einen der zunehmende Anteil der in der Stadt lebenden Bevölkerung und zum anderen die fortschreitende Digitalisierung genannt.
Doch was bedeutet das eigentlich für Menschen und ihr Verhältnis zur Natur? Werden Kinder und Jugendliche die Natur künftig nur noch als Virtual Reality wahrnehmen? „Sicher ist: Die Digitalisierung verändert eine Vielzahl unserer Lebensbereiche. Was sie jedoch niemals ersetzen kann, ist der persönliche Umgang des Menschen mit unserer Umwelt“, erklärt der Wirtschaftsethiker. Er sieht in der Digitalisierung aber eine Chance, mithilfe immer besserer digitaler Werkzeuge bei jungen Menschen wieder stärker die Lust an der Natur zu wecken. „Tatsächlich entwickelt sich unter dem Begriff der ‚Digital Nature Studies' gerade eine Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die digitalen Techniken zur Erforschung der Natur zu nutzen“, führt er weiter aus. Dabei ersetze die Technologie die Naturerfahrung nicht, sondern ergänze sie vielmehr: Zahlreiche mobile Technologien, die heute jedes handelsübliche Smartphone biete, können genutzt werden, um natürliche Phänomene festzuhalten und einzuordnen.
Gehörten früher zur Grundausstattung des jugendlichen Naturforschers Lupe, Notizblock und Kamera, könne heute das Smartphone viele dieser Funktionen übernehmen – sei es über die Kamera oder die Aufnahmefunktion zum Festhalten von Tierstimmen. Beispielhaft führt Müller verschiedene interaktive Apps an, wie die des Naturschutzbundes NABU. In diesem Jahr initiierte der Bund den ‚Insektensommer', eine bundesweite Aktion, in deren Rahmen heimische Insekten erfasst wurden. Die Meldung der beobachteten Arten erfolgt ausschließlich online und der NABU hat dafür auch eine App entwickelt.
„Wir sollten also die Digitalisierung insgesamt nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als Chance sehen: Mit interaktiven Programmen können Kinder und Jugendliche ohne Zweifel wieder stärker für die Natur interessiert und bestenfalls begeistert werden. Gerade die Neugier, die viele junge Menschen den digitalen Angeboten als täglichen Begleitern entgegenbringen, sollte mit qualitativ und didaktisch sinnvollen Angeboten produktiv genutzt werden. Auf diese Weise können junge Nutzer frühzeitig für die Schönheit und Vielfalt, aber auch die Bedrohung der Natur sensibilisiert werden“, schlussfolgert Müller.
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