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Redaktion: Heinz Schmitz
Vom Fernseh-Wegschauer zum Zuschauer
Wissenschaftler der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) präsentieren auf der CeBIT 2014 ein neuartiges technisches Verfahren, mit dem das Verschmelzen von Internet und traditionellem Fernsehen weiter vorangetrieben wird: Fernseh- und Internetinhalte können so erstmals völlig synchron empfangen werden – eine Chance für das lineare Fernsehen, gegenüber den Anbietern von individualisierten Online-Inhalten wieder Marktanteile aufzuholen. Besonders Live-Events könnten somit passgenauen Zusatzinformationen für Zuschauer interessanter gemacht werden. Das Verfahren ist bereits zum Patent angemeldet, eine Firmenausgründung wird vorbereitet.
"Fernsehen als reine Einbahnstraßenkommunikation ist im Zeitalter von Internet und Social Media-Kanälen fast ein Anachronismus geworden. Das lineare Fernsehen verliert gegenüber den qualitativ hochwertigen, individualisierten Online-Inhalten großer Anbieter wie Google mit Youtube, Apple, Amazon, oder Netflix schon seit Jahren dramatisch an Boden", erklärt Prof. Uwe Kulisch, Leiter des Forschungsprojekts "casual.tv" an der HTWK Leipzig. "Längst werden Smartphones oder Tablets als 'Second Screen', also zweiter Bildschirm neben dem Fernseher, genutzt. In unserem Projekt haben wir ein Verfahren entwickelt, um den Zuschauer – oder besser: den Wegschauer vom Fernsehen – mithilfe des Second Screens wieder zum Zuschauen zu bringen. Unser Verfahren eröffnet ganz neue Möglichkeiten für speziell zugeschnittenen Content."
Grundlage des neu entwickelten Verfahrens ist der technische Standard HbbTV ("Hybrid broadcast broadband TV"), der zusätzlich zum Fernsehbild die Übertragung weiterer Informationen ermöglicht; Hybrid TV ist damit eine Art Nachfolger des Videotextes und seit ca. 2011 allgemein gebräuchlich. "Hybrid TV wird bisher hauptsächlich für Mediatheken genutzt, aber damit wird nur ein Bruchteil der Möglichkeiten ausgeschöpft. Interaktive Zusatzangebote zum Liveprogramm sucht man meist vergebens. Der Grund: die Synchronisation zwischen langsamem Fernsehbild und schnellem Internet funktionierte nicht. Unser neues System ermöglicht jedoch die Synchronisation – und damit werden völlig neue Interaktionsangebote für den Zuschauer oder auch neue Werbeformen möglich: Per Smartphone oder Tablet kann man dann etwa während eines Fußballspiels die Ballkontakte, Fehlpässe oder den Pulsschlag der Spieler vergleichen, das Fahrzeug aus der Werbung auch in der Lieblingsfarbe ansehen oder eine Probefahrt beim nächsten Händler vereinbaren – und vieles andere mehr. Hier liegt der Schlüssel zur Zukunft des Fernsehens", erklärt René Welz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt "casual.tv".
Das im Projekt "casual.tv" entwickelte Verfahren berechnet die jeweils aktuellen Latenzzeiten (Verzögerungen) des Fernsehens, die je nach Gebiet und je nach Verbreitungsweg (Satellit, Antenne, Kabel) variieren und mehrere Sekunden betragen können, und korrigiert die Darstellung der via Internet gesendeten Hybrid-TV-Informationen um genau diese Latenzzeit. Dadurch wird es möglich, die schnelleren Informationen des Hybrid TV jeweils passgenau und nicht zu früh zu senden.
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