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Redaktion: Heinz Schmitz
Traum für Musiker
Orchesterprobe: Die Musiker haben vor sich keine Notenblätter, sondern Tablets liegen. Der Dirigent trägt auf seinem Bildschirm einen neuen Akzent ein, der automatisch in allen Orchesterstimmen landet und in den Noten des aufnehmenden Tonmeisters rot aufblinkt. – Das klingt nach Zukunftsmusik, ist aber nicht mehr weit von der Realität entfernt: In Ostwestfalen-Lippe entwickeln Musik- und Medienwissenschaftler gemeinsam mit Informatikern eine Software, mit der nicht nur Noten digital erfasst und bearbeitet werden können. Sie wird auch eine Revolution in der Geschichte der Musikedition zur Folge haben.
Ausgehend von der Software „Edirom“ wollen die beteiligten Wissenschaftler die Ergebnisse der Erforschung musikalischer Überlieferung ins digitale Zeitalter überführen – und damit auch Wissenschaft und Praxis weiter zusammenführen. Wurden bisher diese Ergebnisse in gedruckten Notenbänden publiziert, sollen jetzt im Rahmen eines neuen Kompetenzzentrums „Musik – Edition – Medien“ die Standards neu gesetzt und traditionelle Editionen zu weltweit miteinander verknüpften digitalen Wissensarchiven erweitert werden. „Noch nie konnten Musikwerke und ihr Kontext so umfassend und multimedial in einem Archiv zugänglich gemacht werden. Das Potenzial ist unerschöpflich: Wir können unterschiedliche Fassungen und Varianten, Tonaufnahmen, Bild- oder filmisches Material sowie vielfältigste Dokumente zur Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte integrieren“, erklärt Prof. Joachim Veit als Sprecher des Kompetenzzentrums.
So ein Online-Archiv sei für Musikwissenschaftler nicht nur ein Traum, weil sie losgelöst von Zeit und Raum auf das Material zugreifen und gemeinsam forschen können. „Die Digitalisierung der Noten erleichtert den akribischen Vergleich historischer Quellen enorm und eröffnet ganz neue Möglichkeiten, um dem Wandel der Überlieferung nahe zu kommen“, so Joachim Veit. Hatte der Musikwissenschaftler bislang Kopien der unterschiedlichen Fassungen einer Sinfonie oder Oper – und das können auch mal zehn oder mehr sein – auf dem Schreibtisch verteilt, kann er mit der Software jetzt direkt zum gewünschten Takt springen, die auf dem Bildschirm vereinten Fassungen vergleichen, online mit anderen Wissenschaftlern diskutieren und Unterschiede in einer vom Computer umsetzbaren standardisierten Sprache festhalten. Änderungen, die der Komponist an Noten, Betonungen oder Übergängen vorgenommen hat, werden per Mausklick direkt hörbar.
Dem Forscherteam ist es aber besonders wichtig, nicht nur Wissenschaftlern weltweit, sondern auch praktischen Musikern, z. B. Dirigenten, die Arbeit künftig zu erleichtern: Sie bekommen einfacheren Zugang zu den Quellen und können ihre Interpretation Takt für Takt mit überlieferten Versionen vergleichen. Ihre Eintragungen im Notenmaterial können sie automatisch vom Computer für die verschiedenen Orchesterstimmen umsetzen lassen – zuvor eine aufwändige manuelle Prozedur.