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Redaktion: Heinz Schmitz
Optische Atomuhren mit perfekter Anregung
Optische Atomuhren „ticken“ mit der unvorstellbar hohen Frequenz von Laserlicht - fast 10 hoch 15 Hertz. Mit geeigneten Messverfahren muss dafür gesorgt werden, dass die Laserfrequenz selbsttätig genau auf die ungestörte Übergangsfrequenz zwischen zwei atomaren Energiezuständen stabilisiert wird. Um Störungen zu vermeiden, befinden sich die Referenzatome im Vakuum in maßgeschneiderten Fallen, sodass sie bei der Anregung durch das Laserlicht vor Einflüssen aus der Umgebung möglichst gut geschützt sind. Die Übergangsfrequenz kann jedoch auch durch die Wechselwirkung der Atome mit dem anregenden Licht gestört werden. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters beschreiben Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ein neues experimentelles Verfahren, mit dem Störungen durch die Anregung der Atome vollständig eliminiert werden. Durch Vergleichsmessungen zwischen zwei 171Yb+-Einzelionenuhren wird die Wirksamkeit des Verfahrens demonstriert.
Von Norman Ramsey (Physik-Nobelpreis 1989) stammt die bahnbrechende Idee, für spektroskopische Präzisionsmessungen Atome mit zwei Hochfrequenz- oder Lichtpulsen anzuregen, die durch eine Dunkelzeit getrennt sind. Der erste Puls startet dabei sozusagen eine Schwingung zwischen den atomaren Zuständen. Mit dem zweiten Puls wird geprüft, ob die Frequenz des Lasers und der „freien“ atomaren Schwingung während der Dunkelzeit gleich waren oder ob sich ein Phasenunterschied zwischen Atom und Laser ergeben hat.
Mit steigender Dunkelzeit verbessert sich die Schärfe des atomaren Resonanzsignals, und Messfehler durch die kurze Wechselwirkung der Atome mit dem Laserlicht werden reduziert. Aufgrund dieser Vorteile nutzen beispielsweise auch Cäsium-Fontänenuhren, mit denen gegenwärtig die SI- Einheit Sekunde realisiert wird, ein Ramsey-Anregungsschema im Mikrowellenbereich.
Atomuhren mit Referenzübergang im optischen Spektralbereich übertreffen inzwischen die Genauigkeit der besten Cäsiumuhren um etwa das Hundertfache. Hier reicht bei einigen Systemen das konventionelle Ramsey- Verfahren nicht mehr aus, um den verbleibenden Effekt der Wechselwirkung zwischen Atomen und Laserpulsen oder anderer mit der Anregung verbundener Störungen vernachlässigbar zu machen. Das jetzt an der PTB entwickelte Anregungsverfahren löst dieses Problem durch zwei Änderungen am Ramsey-Schema: Zum einen werden neben Messungen mit langer Dunkelzeit auch Messungen mit identischen Pulsen und kurzer Dunkelzeit durchgeführt. Zum anderen gibt es für den zweiten Puls eine einstellbare Phasenkorrektur, die in langen und kurzen Messsequenzen gleich ist.
Tatsächlich reichen diese beiden Maßnahmen aus, Störungen durch die Wechselwirkung zwischen Licht und Atomen vollständig zu vermeiden. Die Ergebnisse von Messungen mit langer und kurzer Dunkelzeit werden durch solche Störungen in gleicher Weise beeinflusst. Es wäre also möglich, das Messergebnis der kurzen Sequenz als Korrektur für die Messungen mit langen Sequenzen zu benutzen und die Laserfrequenz mit dem resultierenden Signal zu stabilisieren. In diesem Fall verbleibt allerdings bei kurzen und langen Sequenzen ein Phasenunterschied zwischen Atom und Laser, der bei Frequenzschwankungen des Lasers zu einem unsymmetrischen Verhalten der Frequenzregelung und damit zu einem Regelfehler führt. Nutzt man aber die Phasenkorrektur und stellt sie so ein, dass der in der kurzen Messsequenz bestimmte Phasenunterschied kompensiert wird, liefern die langen Messsequenzen ein fehlerfreies Signal, mit dem die Laserfrequenz auf die ungestörte atomare Übergangsfrequenz stabilisiert wird.
Die PTB-Forscher verifizierten die vorteilhaften Eigenschaften des neuen Anregungsverfahrens durch den Vergleich zwischen zwei Einzelionenuhren, die einen Übergang in 171Yb+ nutzen, dessen Frequenz sehr stark durch das anregende Laserlicht verschoben wird. Eine der Uhren wurde mit dem neuen Anregungsschema betrieben, und hier wurden absichtlich Variationen der Lichtverschiebung und Änderungen der Pulsform eingeführt, die um mehrere Größenordnungen größer waren als die unter normalen Bedingungen erwarteten Störungen. Dennoch zeigte sich, dass die Ausgangsfrequenz der Uhr innerhalb der relativen statistischen Vergleichsunsicherheit von ca. 1*10-16 unverändert blieb. Da Ramsey-Verfahren in einer breiten Palette von Präzisionsmessungen verwendet werden, werden neben der Yb-Uhr sicher auch andere Anwendungen von der neuen Methode profitieren.