Nachrichten, Gerüchte, Meldungen und Berichte aus der IT-Szene
Redaktion: Heinz Schmitz
Magnetspeicher in Superzeitlupe gefilmt
„Zum ersten Mal lässt sich mit unseren Aufnahmen in Echtzeit verfolgen, wie die Magnetisierung genau abläuft“, betont Wessels aus der Gruppe von Prof. Markus Drescher am Hamburg Center for Ultrafast Imaging (CUI). „Damit lässt sich das Schalten dieser Magnetzellen erstmals im Detail beobachten.“ Die Forscher haben für ihre Untersuchung eine Speicherzelle bestehend aus einer Mischung (Legierung) aus Nickel und Eisen gewählt, die sich in weniger als einer milliardstel Sekunde magnetisieren lässt.
Mit einem eigens konstruierten Röntgenmikroskop, das zusammen mit der Gruppe von Prof. Thomas Wilhein von der Hochschule Koblenz entwickelt wurde, konnten die Wissenschaftler verfolgen, wie eine Speicherzelle gelöscht und neu beschrieben wird. Die extrem kurzen Röntgenblitze von DESYs Forschungslichtquelle PETRA III ermöglichten dabei eine Zeitauflösung von 0,2 milliardstel Sekunden (200 Pikosekunden). Die Magnetisierung lässt sich daran ablesen, wie stark einzelne Bereiche der Probe das polarisierte Röntgenlicht schlucken. Das Röntgenmikroskop kann dabei noch 60 millionstel Millimeter (60 Nanometer) kleine Details erkennen.
Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler winzige, quadratische Nickel-Eisen-Speicherzellen mit einer Kantenlänge von zwei tausendstel Millimetern (2 Mikrometer). Diese Speicherzellen formen in ihrem Inneren vier magnetische Bereiche aus, sogenannte Domänen, zwischen denen sich die Magnetisierung entweder mit oder gegen den Uhrzeigersinn ändert. Diese magnetischen Domänen sind dreieckig, und ihre Spitzen treffen sich in der Mitte der Speicherzelle. Auf diese Weise entsteht im Zentrum der Zelle ein magnetischer Wirbelkern.
Wird eine Speicherzelle durch ein äußeres Magnetfeld gelöscht, wandert der Magnetwirbelkern aus ihr heraus. „In unseren Untersuchungen ließ sich erstmals messen, mit welcher Geschwindigkeit die Wirbelkerne aus dem Material herausgedrückt werden“, erläutert Ko-Autor Dr. Jens Viefhaus, verantwortlich für das Strahlrohr P04, an dem die Versuche stattfanden.
Ein solcher Kern schießt demnach mit über 3600 Kilometern pro Stunde aus der Speicherzelle hinaus. „Dieser Vorgang lässt sich sehr gut reproduzieren, so dass wir die Geschwindigkeit zuverlässig bestimmen konnten“, erläutert CUI-Forscher Privatdozent Dr. Guido Meier. „Möglich wurde diese Messung nur, weil wir sehr starke und stabile magnetische Anregungspuls verwenden konnten.“ Das äußere Magnetfeld erzwingt in der gesamten Speicherzelle eine einheitliche Magnetisierung. Wird es abgeschaltet, bildet die Zelle erneut die vier magnetischen Domänen und einen zentralen Wirbel aus - je nach Richtung des äußeren Magnetfelds ist sie damit neu beschrieben worden. Dieser Vorgang ist jedoch komplex. „Der Vier-Domänen-Zustand entwickelt sich über ein kompliziertes Zickzackmuster, und die Entstehung dieses Zustandes konnten wir erstmals ‚live‘ beobachten“, berichtet Wessels.
Dieses Verhalten deckt sich mit Ergebnissen aus Simulationsrechnungen. Die Superzeitlupe erlaubt nun genauere Einblicke in diese schnelle Dynamik. „Mit derselben Methode lässt sich die Dynamik beliebiger anderer Magnetmaterialien untersuchen“, betont Wessels. „Unsere Experimenten können beitragen zu verstehen, wie schnell man Daten prinzipiell auf magnetische Speichermaterialien kodiert in Domänenform schreiben kann.“ Diese Untersuchungen haben durchaus praktische Relevanz für die Speichertechnologie. „Zwar kommen heute in Laptops und anderen mobilen Geräten immer häufiger nichtmagnetische Speichermaterialien wie beispielsweise Flash-Speicher zum Einsatz, aber wenn es um große Datenmengen geht, sind magnetische Datenspeicher konkurrenzlos günstig“, betont Wessels. „Der Trend geht zum Speichern in der Cloud, und die Cloud ist magnetisch.“Ein besseres Verständnis der Magnetdynamik kann dabei zu schnelleren und leistungsfähigeren Speichermaterialien führen.
Originalveröffentlichung:
Fachjournal "Physical Review B":