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Redaktion: Heinz Schmitz


Kraftwerksimulation gegen Stromschwankungen

Kraftwerkssimulations Software
Von der Uni Rostock entwickeltes Computermodell eines Kraftwerkes zur Verbesserung der dynamischen Fahrweise im Zusammenhang mit Verbrauchern und schwankenden Erneuerbaren Energien. (Foto: Thomas Rahr/Uni Rostock)

Moritz Hübel, von der Uni Rostock, beschreibt seine Vorstellung zu einem wichtigen Thema in Deutschland so: „Erneuerbare Energien werden eines Tages im Zusammenspiel mit großtechnischen Speichern, vielleicht sogar mit Kernfusion die Energieversorgung im Land sichern“. Doch der 30-jährige Wissenschaftler, der zu diesem großen Thema eine Doktorarbeit schreibt, weiß auch: „Von diesem Ziel sind wir noch sehr weit entfernt“. Energiewende, das heißt für ihn auch: „Mehr Strom aus Wind und Sonnenlicht verursachen größere Leistungsschwankungen im Stromnetz. Treten die auf, gleichen herkömmliche Kraftwerke sie aus. Noch. Doch mit dem Ausbau der unstetig produzierenden Wind- und Photovoltaikanlagen steigen auch die Anforderungen an die verbleibenden Kraftwerke. Beim Ausregeln von Leistungsschwankungen ändern sich Temperaturen und Drücke innerhalb der Kraftwerke, dies führt zu einer Belastung der Bauteile, was wiederum zu deren Ermüdung führen kann. Neue Berechnungs- und Bewertungswerkzeuge sind nötig, um Schäden, die durch diese neuartigen Beanspruchungen entstehen können, frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

 

Bereits seit etwa zehn Jahren forscht die interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Egon Hassel (Lehrstuhl für Technische Thermodynamik) und Prof. Harald Weber (Lehrstuhl Elektrische Energieversorgung) der Uni Rostock intensiv mit Industriepartnern aus Deutschland auf dem Gebiet der Energietechnik. Großtechnische Stromspeicher, an denen die Arbeitsgruppe ebenfalls forscht, sind zwar ein wichtiges Thema für die Zukunft, „solange sich hier jedoch noch nicht einmal eine marktreife Technologie abzeichnet, sind wir auf Kraftwerke angewiesen“, so Hübel.

 

Als eines der modernsten Steinkohlekraftwerke der Bundesrepublik Deutschland gehört das Rostocker mit einem Wirkungsgrad von 43,2 Prozent derzeit auch zu den Effizientesten in Europa. Die aktuelle Herausforderung aber: Wie kann das Kraftwerk künftig schneller auf den Bedarf und schwankende Einspeisungen reagieren?

 

„In Kraftwerken gibt es große Speicherpotenziale für thermische Energie, die sich durch intelligenten Einsatz in Koordination mit dem Verbrennungsprozess zur Ausbalancierung von Schwankungen nutzen lassen“. Moritz Hübel und seine Kollegen entwickeln am Computer virtuelle Modelle verschiedener Kraftwerke. Auch das Rostocker Steinkohlekraftwerk haben sie digital nachgebaut. „Eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der eine enge Zusammenarbeit mit den Kraftwerksbetreibern erforderlich ist“, sagt der junge Vater von zwei Kindern. Moritz Hübel ist überzeugt: „Mit Hilfe solcher virtueller Simulationsmodelle lässt sich ein erhebliches Potenzial aus den Kraftwerken herauskitzeln und risikofrei am Rechner testen“. Somit lassen sich kurzfristig erneuerbare Energien in größerem Umfang zuverlässig in das Energiesystem integrieren.

 

Erneuerbare Energien wie Wind und Sonne decken in Deutschland bereits ein knappes Viertel des gesamten Stromverbrauchs. Bislang springen konventionelle Kraftwerke ein, wenn Wind und Sonne den Strombedarf nicht decken können. Eine sichere und zuverlässige Stromversorgung haben wir aber nur dann, wenn unser Stromnetz stabil ist - wenn also konstant genau so viel Strom eingespeist wie verbraucht wird. Das wünscht sich auch der Rostocker Kraftwerksleiter Axel Becker. Die Rolle thermischer Kraftwerke und so auch die des Rostocker Kraftwerks für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist trotz Energiewende eine entscheidende. Moritz Hübel erbrachte den wissenschaftlichen Nachweis, dass thermische Kraftwerke weitaus mehr Potenzial für die Energiewende bieten, als bislang gedacht. Trotz des Ausbaus von erneuerbaren Energien, der Steigerung der Nachfrageflexibilität, der Errichtung von Speichern, sowie der internationalen Netzeinbindung werden auch im Jahr 2050 immerhin noch ca. 46 Gigawatt thermische Kraftwerksleistung notwendig sein.

 

Das entspricht etwa 100-mal der Leistung des Rostocker Kraftwerkes. Doch durch die deutliche Zunahme der aus Wind- und Sonnenenergie umgewandelten elektrischen Energie, die Abschaltung mehrerer Kernkraftwerke und die dadurch stark geänderten Einspeiseprozesse elektrischer Energie in das deutsche Stromnetz, kommt es jedoch zu völlig neuen periodischen Belastungsschwankungen bei thermischen Kraftwerken. „Neue Berechnungs- und Bewertungswerkzeuge, wie die von der Uni Rostock sind vonnöten, um Schäden, die durch diese neuartigen Beanspruchungen entstehen können, frühzeitig zu bewerten“, sagt der Rostocker Kraftwerksleiter Axel Becker.

 

Er wolle Partner der Erzeuger von regenerativer Energie sein. Derzeit sei das Kraftwerk in der Lage, binnen 30 Minuten die Leistung im Lastbereich zwischen der Mindest- und der Maximallast runter- oder hochzufahren. Doch dieser Prozess soll mit Hilfe der Forscher von der Uni Rostock weiter optimiert werden.

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