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Redaktion: Heinz Schmitz


Kleiner IT-Rückblick 2015 - Teil 2

Das Jahr 2015 hat für die Medienbranche leider einen besonders tragischen Anfang genommen: Bei den Terroranschlägen auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" in Paris wurden elf Menschen getötet und mehrere schwer verletzt. Die Täter bekannten sich zum sogenannten Islamischen Staat (IS), der seine Anhänger verstärkt auch im Internet rekrutiert. Um die Verbreitung der einschlägigen Propaganda der Dschihadisten einzudämmen, müssen Facebook und Co ihre Kontrollen verschärfen, so die Forderung vieler Experten, die nach den jüngsten Anschlägen im November noch lauter geworden ist. Doch gerade Facebook hatte 2015 auch andere Probleme wie gelangweilte User und suizidgefährdete Teenager.

 

Die Terroranschläge auf Charlie Hebdo sind "nicht nur ein Angriff auf das Leben der französischen Bürger, sondern auch auf die Meinungs- und Pressefreiheit", betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts der tragischen Ereignisse zu Jahresbeginn. Diese lösten eine Welle an Solidaritätsbekundungen aus - rund um den Globus wurde der Slogan "Je suis Charlie" ("Ich bin Charlie") quasi über Nacht zum Symbol der Identifikation mit den Terroropfern und dem Festhalten an demokratisch-rechtsstaatlichen Grundwerten. Zigtausende ließen sich diese Botschaft auf T-Shirts und Poster drucken, über soziale Medien wurde sie in Windeseile in die ganze Welt verbreitet.

 

Gerade die sozialen Medien waren es aber auch, die sich infolge der Anschläge einem zunehmenden öffentlichen Druck ausgesetzt sahen. Denn in den Online-Netzwerken ist der IS nachweislich äußerst aktiv: In etwas mehr als einem Monat wurden 1.146 Propaganda-Nachrichten - also etwa 38 pro Tag - auf diese Weise veröffentlicht, wie die Quilliam Foundation herausfand. Die britische Organisation, die sich dem Kampf gegen Extremismus verschrieben hat, reagierte auf diese erschütternden Ergebnisse mit einer eigenen Anti-IS-Videokampagne.

 

Die Betreiber der verschiedenen sozialen Plattformen sahen sich aufgrund der offenkundig stark auf das Web ausgelegten Rekrutierungsstrategie der Terrormiliz zum Handeln gezwungen. Googles Videoportal YouTube beispielsweise versprach, islamistische Propaganda künftig konsequenter von der eigenen Seite zu entfernen. Zensur alleine könne das Terrorismusproblem aber nicht lösen, so Strategie-Direktorin Victoria Grand.

 

Auch bei Facebook ist man sich bewusst, dass das eigene Netzwerk von terroristischen Organisationen für Rekrutierungszwecke missbraucht wird und hat strengere Kontrollen angekündigt. Der Social-Media-Primus hatte aber 2015 durchwegs auch mit anderen Problemen zu kämpfen. Untersuchungen von Marktforschern belegten nämlich, dass das Portal in jüngerer Vergangenheit von der Hälfte seiner User deutlich weniger genutzt wird als früher. Rund ein Fünftel gab an, dass das Interesse einfach abgenommen habe und sie "gelangweilt" seien.

 

Mitte des Jahres sorgte zudem eine Studie für negative Schlagzeilen, die übermäßigen Social-Media-Konsum als psychische Belastung für Teenager ausweist. Darin wurde klargelegt, dass Jugendliche, die mehr als zwei Stunden pro Tag auf Facebook und Co verbringen, eher Suizid-Gedanken haben und an anderen mentalen Problemen leiden. Eine andere Untersuchung will nicht nur negative Auswirkungen auf die Psyche gefunden haben, sondern kritisierte auch, dass soziale Netzwerke zum Zigarettenrauchen verleiten oder zu Übergewicht führen können.

 

Dass die Nutzung des Internets ganz allgemein auch in höherem Alter nur in Maßen genossen werden sollte, belegte eine Studie zum Thema "Sexsucht" der University of Cambridge. Laut den Experten sollen mittlerweile rund 30 Prozent des gesamten Web-Traffics auf Online-Pornos entfallen. Weil entsprechendes Material im Netz in einem schier unüberschaubaren Ausmaß zur Verfügung steht und dadurch immer neue Anreize geschaffen werden, dieses zu konsumieren, würde das Problem von Sexsucht immer akuter, so das Resümee der Wissenschaftler.

 

Interessant ist, dass Webseiten für Erwachsene offensichtlich häufig auch ungeniert am Arbeitsplatz betrachtet werden. Internationaler Spitzenreiter in dieser Hinsicht ist überraschenderweise China, wo 19 Prozent der Staatsbürger ein derartiges Verhalten eingestehen, gefolgt von zehn Prozent der Mexikaner und neun Prozent der Briten.

 

Um die Fülle an pornografischen Inhalten im Web einzudämmen und jüngere Nutzer vor ungeeignetem Material zu schützen, setzen einzelne Anbieter vermehrt auf technische Lösungen. Der Internet-Serviceprovider Sky kündigte etwa in Großbritannien an, Seiten mit explizitem Content künftig generell blockieren zu wollen. Bürgerrechtsgruppen zeigten sich allerdings bestürzt angesichts dieser Pläne und wiesen insbesondere auf die Fehleranfälligkeit sogenannter "Pornofilter" hin. Bestes Beispiel hierfür war die Game-App "Talking Tom", bei der Kinder trotz Filter eine Zeit lang einen pornografischen Werbebanner zu sehen bekamen.

 

Wenn es um ein unüberschaubares Angebot geht, dürfen auch die beliebten Smartphone-Apps nicht fehlen. Inzwischen lässt sich kaum ein Aufgabenbereich finden, der sich nicht mithilfe der kleinen Handy-Programme erledigen lässt. Darunter finden sich genauso unbestritten sinnvollen Anwendungen wie eine App, die Autofahrer zu sicheren Verkehrsteilnehmern erziehen soll oder die "Hope App", die erste Warnzeichen von Suizid-Gefährdung erkennen und Betroffenen zur Seite stehen soll.

 

Mitunter trägt der kreative Ideenreichtum der Entwickler aber auch sehr seltsame Früchte. Beispiele hierfür sind etwa die App "RunPee", die Usern den Zeitpunkt für die perfekte Klo-Pause im Kino verrät oder der "Duey Dialer", der betrunkene Autofahrer aus brenzligen Zusammentreffen mit der Polizei befreien soll. Das Programm "Glued" belohnt Handy-Besitzer sogar dafür, dass sie ihr Mobiltelefon öfter mal zur Seite legen.

 

Ein Phänomen, das sich aus 2014 ungebrochen fortgesetzt hat, war der Hype um Selfies. Diese Art des Selbstporträts, das per Handy aus dem Handgelenk aufgenommen wird, schaffte den Durchbruch zwar schon im vergangenen Jahr, sorgte aber auch 2015 wieder für zahlreiche Schlagzeilen. So sahen sich die Manager eines Tierparks in Denver beispielsweise dazu gezwungen, das Areal mit Wildtieren abzusperren, weil sich die Parkbesucher aufgrund des extremen Selfie-Trends zu nahe an Bären herangewagt hatten.

 

In Großbritannien gab sogar ein Drittel der trauernden Handy-Besitzer an, selbst auf Trauerfeiern nicht vor einem schnellen Selbstporträt zurückzuschrecken. Die Betreffenden stört es dabei nicht, dass dieses Verhalten bei anderen Trauergästen Wut hervorrufen könnte. Eine beängstigende Entwicklung brachte der Trend auch für Frauen mit sich. Diese wollen nun immer öfter auch verschönernde Maßnahmen in Kauf nehmen, um auf den Selfie-Fotos besser auszusehen.

 

Beruhigend ist hingegen die Tatsache, dass der Selfie-Wahn offensichtlich auf eher jüngere Zielgruppen beschränkt ist: Den Marktforschern von Lightspeed GMI zufolge liegt die Zahl der Selfie-Verweigerer bei den 18- bis 24-Jährigen bei 22 Prozent. In der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen beträgt die Verbreitung von Selfies nur noch etwas mehr als die Hälfte. Bei den über 35-Jährigen liegt der Anteil bereits bei weit unter der Hälfte und nimmt mit zunehmendem Alter weiter rapide ab. Bei über 55-Jährigen sind Selfies hingegen nur noch eine Randerscheinung.

(Quelle: www.pressetext.de)

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