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Redaktion: Heinz Schmitz


Internetkriminalität in Deutschland stark unterschätzt

Neben den 2,7 Milliarden Euro Belastung der Bürger durch Identitätsdiebstahl, Phishing, Onlinebetrug mit Waren- und Dienstleistungen sowie Angriffe mit Schadsoftware vermittelt die Studie weitere Erkenntnisse. Alleinlebende fürchten sich weniger vor Kriminalität, Alte nur wenig mehr als Junge. Kölner haben relativ wenig Angst davor, Opfer einer Straftat zu werden, obwohl die Bedrohung tatsächlich verhältnismäßig hoch ist. Für das Projekt wurden zwischen 2012 und 2014 insgesamt 12.000 Personen telefonisch oder online ausführlich zu ihrem Sicherheitsempfinden befragt. Die Angaben wurden nach soziodemografischen Faktoren und Regionen geordnet und mit Daten der amtlichen Kriminalitätsstatistik verglichen. Die Forscher schufen durch eine Vielzahl klassischer sowie neuer Methoden eine komplett neue Datengrundlage und fanden überraschende Erkenntnisse.

 

Straftaten wie der Diebstahl von Online-Identitäten und Passwörtern, Onlinebetrug mit Waren- und Dienstleistung sowie Angriffe sogenannter Schadsoftware kommen in Deutschland der Studie zufolge wesentlich häufiger vor als angenommen. Allein das Abfangen von Passwörtern und persönlichen Daten, das sogenannte Phishing, kommt der WISIND-Schätzung zufolge etwa 50 Mal häufiger vor, als vom Bundeskriminalamt angenommen . Die Befragungsdaten lassen annehmen, dass jeder fünfte Bürger im Land bereits Opfer von Internetkriminalität wurde. Pro Jahr kommt es demnach zu rund 14,7 Millionen Internetstraftaten. Einen großen Teil (63 Prozent) machen dabei die Schadsoftware-Angriffe aus. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist hingegen für das Jahr 2013 insgesamt nur rund 64.000 gemeldete Onlinestraftaten aus. Privatpersonen in Deutschland entsteht den WISIND- Berechnungen zufolge pro Jahr ein Schaden von rund 2,7 Milliarden Euro. Das entspricht etwa 0,01 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes.

 

Jeder Privatperson gehen dabei rechnerisch jährlich elf Euro durch Identitätsdiebstahl und zehn Euro durch Phishing verloren. Etwa sieben Euro Schaden entstehen ihr durchschnittlich durch Waren- und Dienstleistungsbetrug, etwa 5,5 Euro werden zur Vermeidung oder Beseitigung von Schadsoftwarebefall aufgewandt. Straftaten zu Lasten von Unternehmen sind dabei nicht mitgezählt (Weitere Einzelheiten im Bericht „Tatort Internet: Kriminalität verursacht Bürgern Schäden in Milliardenhöhe“).

 

Obwohl also ein großer Teil der Bevölkerung bereits Opfer von Internetkriminalität geworden ist oder sich davor fürchtet, spielt diese Kriminalitätsform in der Berichterstattung der Regional- und Lokalausgaben deutscher Abo-Zeitungen kaum eine Rolle. Das fanden die Forscher bei einem Vergleich der Kriminalitätsberichterstattung mit der amtlichen Polizeistatistik heraus. Die häufig unterstellte „Allgegenwart von Kriminalität in den Medien“ fanden sie dabei in der Gesamtheit nicht bestätigt. Nach Anzahl der Artikel fanden Straftaten zwar einen relativ hohen Niederschlag in der Berichterstattung – beinahe jeder dritte Artikel befasste sich mit dem Thema Kriminalität. Wurde jedoch auch die Länge der Berichte berücksichtigt, war der Anteil mit weniger als sechs Prozent eher gering. Dabei fokussierten die Medien deutlich überproportional auf Gewalt, Sexual- und Rohheitsdelikte. Leichte Delikte waren unterrepräsentiert. Während nur 0,8 Prozent aller Straftaten Tötungs- und Sexualdelikte sind, standen sie im Zentrum von 19 Prozent der Artikel über Kriminalität. Wie sich die Kriminalberichterstattung auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung auswirkt, ist unklar: So wird in Baden-Württemberg vergleichsweise wenig über Straftaten berichtet und auch die reale Kriminalitätsbelastung ist niedriger als andernorts. Trotzdem weisen die Bürger eine überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsfurcht auf.

 

Die Frage, wie stark die Furcht der Menschen vor Kriminalität von der tatsächlichen Belastung durch Straftaten in ihrer Region geprägt ist, ist seit Jahrzehnten ein umstrittenes Thema. Das WISIND-Projekt hat durch die ausführlichen Befragungen von rund 12.000 Bürgern einen völlig neuen Datenzugang geschaffen . Bei der Auswertung zeigen sich einige überraschende Ergebnisse, etwa, dass die Opfer von Bedrohung und Pöbelei die größte Furcht vor Kriminalität haben. Obwohl diese Straftaten oft als Bagatellen abgetan werden, beeinflussen sie das Sicherheitsempfinden der Menschen offenbar sehr stark. Ebenfalls überrascht waren die Forscher von den Erkenntnissen, dass alleinlebende Menschen weniger Angst haben als der Durchschnitt, ältere nur unwesentlich mehr als jüngere und dass Eltern trotz der Sorge um die Kinder nur von leicht stärkeren Unsicherheitsgefühlen geplagt werden als Kinderlose.

 

Regional zeigen sich in Bezug auf die Kriminalitätsfurcht deutliche Unterschiede. Die gelegentlich geäußerte Vermutung, die Furcht der möglichen Opfer sei vielfach irrational und decke sich nicht mit der faktischen Sicherheit in einer Region, konnten die Forscher dabei nicht bestätigen. Sie fanden vielmehr heraus, dass die Menschen die tatsächliche Kriminalitätsbelastung ihres Umfeldes im Großen und Ganzen eigentlich recht gut einschätzten. So ist die Furcht vor Kriminalität im Norden deutlich höher als im Süden, und auch die Zahl der begangenen Straftaten weist ein Nord-Süd-Gefälle auf. Einige Ausnahmen gab es jedoch: So zeigten sich Menschen in Köln relativ wenig ängstlich, obwohl die Bedrohung relativ hoch ist. Die Bürger in der Region um Stuttgart fühlen sich relativ unsicher, obwohl dort relativ wenige Straftaten begangen werden.

 

Weitere Informationen unter:

http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.498951.de/15-12.pdf

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