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Redaktion: Heinz Schmitz


3D-Druck – Fakten und Prognosen

Aus Anwendersicht lässt sich der Markt des Additive Manufacturing (AM) grundsätzlich in zwei Bereiche aufteilen: die mittlerweile auch für Privatkunden erschwinglichen Kunststoff-Drucker und professionelle Anlagen für die Industrie zum „Drucken“ mit Materialien aller Art, bis hin zu Keramiken und Metallen. Analysten bezeichnen diesen Markt der additiven Herstellungsverfahren zwar derzeit noch als Nische, schreiben ihm 2012 jedoch bereits einen Wert von bis zu zwei Milliarden Euro zu. 20 Jahre hatte es gedauert, bis die Branche einen Marktwert von einer Milliarde erreicht hatte. Die zweite Milliarde war dann innerhalb von fünf Jahren geschafft. Jetzt gehen Analysten davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren mindestens eine vierfache Steigerung möglich ist

 

Bisher kommt das Additive Manufacturing vor allem beim Rapid Prototyping zum Einsatz: Prototypen für Luft- und Raumfahrt, Automobilindustrie, Maschinenbau sowie Medizin- und Zahntechnik werden Schicht für Schicht hergestellt. Allein in Deutschland sind nach Erhebungen der „Fraunhofer Allianz Generative Fertigung“ in diesem Dienstleistungsmarkt etwa 150 Unternehmen aktiv.

 

Obwohl die Analysten von Wohlers Associates davon ausgehen, dass der Rapid-Prototyping-Markt von 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 bis 2020 auf mehr als fünf Milliarden US-Dollar anwachsen wird, liegt die Zukunft ihrer Einschätzung zufolge an anderer Stelle: „Geld wird mit der Fertigung gemacht werden, nicht mit Prototypen“, prophezeit Tim Caffrey, Berater bei Wohlers. Ähnlich schätzt es Bernhard Langefeld ein, Maschinenbau-Experte bei Roland Berger Strategy Consultants und einer der Autoren der Studie "Additive Manufacturing – A game changer for the industry?": Er sieht die Industrie bei der Produktion metallischer Strukturen durch AM bereits an der Schwelle zur Serienfertigung für ausgewählte Produkte in der Medizin- oder Luftfahrttechnik. Für Zahnkronen und Hüftgelenke beispielsweise ist die Fertigung durch Additive Manufacturing bereits Realität. Auf Basis der Daten des Scans werden passgenaue Implantate in Stückzahl "Eins" gefertigt. Siemens druckt inzwischen sogar Brennerspitzen aus Stahlpulver als Ersatzteile für Gasturbinen.

 

Im Jahr 2013 klassifizierte die MIT Technology Review das Additive Manufacturing als eine der zehn bahnbrechenden Technologien des Jahres. Das Herstellungsverfahren ist auf die gesamte Branche gesehen aber noch zu teuer und dauert zu lang. Da bisher nur wenige Teile hergestellt werden können, macht aktuell allein die Maschine bis zu 50 Prozent der Kosten aus. Größter Treiber, um günstiger zu werden, sind der Roland-Berger-Studie zufolge schnellere Anlagen. „Die Hersteller erhöhen derzeit die Effizienz der Anlagen erheblich“, sagt Bernhard Langefeld. „Die neueste Generation arbeitet mit mehreren Lasern, größeren Bauräumen, automatischen Wechselsystemen und verbesserter Onlineüberwachung, so dass eine deutliche Leistungssteigerung möglich ist.“

 

Kosten verursacht jedoch auch das Pulver. „Einige Druckmaschinen-Anbieter setzen bisher auf das Geschäftsmodell der Hersteller von Tintenstrahldruckern“, erzählt Langefeld: „Die Unternehmen bieten neben dem 3D-Drucker auch gleich die passenden Patronen, in diesem Fall das passende Pulver, an.“ Bei der Marktanalyse für die Roland Berger-Studie habe sich aber gezeigt, dass erfahrene Betreiber mit mehreren Anlagen bereits ein eigenes Lieferantensystem entwickelt haben und so deutliche Preisvorteile erzielen. Langefeld kommt in der Studie daher zu dem Ergebnis, dass sich die Fertigungskosten metallischer Druckerprodukte voraussichtlich innerhalb der nächsten fünf Jahre halbieren und innerhalb weiterer fünf Jahre um weitere 30 Prozent reduzieren lassen. Vorausgesetzt jedoch, die aktuell durchschnittliche Herstellungsrate, die sogenannte „build rate“ wird sich innerhalb der kommenden zehn Jahre verachtfachen.

 

Dennoch gehen Marktforscher davon aus, dass AM herkömmliche Fertigungsprozesse nicht ablösen wird. Aber es wird sich in der Nische etablieren. Ähnliche Teile, die minimale Unterschiede aufweisen, sind ein Beispiel dafür: exakt angepasste Zähne oder Zahnkronen, Hüftgelenke oder Schädelimplantate. Das Additive Manufacturing bietet jedoch Unternehmen jeder Branche die Chance, Produkte so zu designen, dass sie Dinge können, die herkömmliche Produkte nicht können. Deshalb steckt auch in neuen Materialien noch Potential. Legierungen sind denkbar, Edelmetalle oder Produkte, bei denen verschiedene Abschnitte mit unterschiedlichen Materialien „gedruckt“ werden: eines, das wegen seiner Hitzeresistenz eingesetzt wird, ein anderes, das Stabilität garantiert. Metalle, die bei hohen Temperaturen schmelzen, könnten vollkommen neu verwendet werden.

 

So könnten auch Ersatzteile für einzelne Maschinen oder ganze Kraftwerke bei Bedarf schnell, passgenau und lokal hergestellt werden. Dadurch fallen nicht nur Lager- und Transportkosten weg, sondern es verhindert auch den Ausfall – und spart somit Geld. Das neuartige Verfahren bei der Herstellung der Siemens-Brennerspitze für Gasturbinen beispielsweise reduziert die Reparaturzeit bestimmter Modelle um rund 90 Prozent, da das Ersatzteil nicht mehr aufwändig mit Schweißverfahren aufgebaut werden muss. Stattdessen wird der neue Brennerkopf einfach direkt auf den Brennerrumpf aufgedruckt. Die Reparaturkosten sinken dabei erheblich.

 

Langfristig wird deshalb greifen, was Analysten den Product-Lifecycle-Hebel nennen. „Bei der Luftfahrt wird das eher der Fall sein als beim Auto“, prophezeit Langefeld. Salopp gesagt: Ein durch Additive Manufacturing hergestelltes Produkt kann ruhig das Zehnfache kosten, wenn es zum Beispiel über seine Lebensdauer dauerhaft eine Treibstoffersparnis von einem Prozent bringt. In den kommenden drei bis fünf Jahren gelte es, so Experte Langefeld, die Produkte zu identifizieren, bei denen diese Rechnung aufgehe.

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