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Redaktion: Heinz Schmitz
Gefahr für den politischen Wahlkampf?
Sogenannte Social Bots stehen in Verdacht, der Verbreitung von politischer Propaganda in den Sozialen Medien zu dienen. Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben nun den Einsatz und Einfluss von Social Bots auf der Plattform Twitter während der japanischen Parlamentswahlen im Jahr 2014 untersucht. Dadurch konnten sie zum einen eine Fallstudie zu verschiedenen Aktivitätsmustern von Social Bots machen, indem sie die Methodik der Korpuslinguistik einsetzten. Zum anderen gewannen die FAU-Forscher Einsichten, wie diese Computerprogramme zum Einsatz kamen und wie Nationalismus in der Wahl vor allem in den Sozialen Medien eine wichtige Rolle spielte.
Ausschlaggebend für die Untersuchung zum Einsatz von Social Bots war für Prof. Dr. Fabian Schäfer, Inhaber des Lehrstuhls für Japanologie der FAU, die Parlamentswahlen 2014 in Japan. Diese gewann die konservative Liberaldemokratischen Partei Japans (LDP) mit ihrem Vorsitzenden Shinzō Abe. Dessen Wahlkampagne stützte sich in der Öffentlichkeit und den Massenmedien vor allem auf wirtschaftspolitische Themen. Anders in den Sozialen Medien. „Dort, das zeigt unsere Analyse, spielte vor allem Abes verdeckte nationalistische Agenda eine wichtige Rolle“, sagt Schäfer. „Dass diese verdeckte Agenda dort so wichtig wurde, ist allerdings nicht auf den Premierminister oder die LDP selbst zurückzuführen.“ Vielmehr scheinen ultrarechte und rechtskonservative Lager der Internetnutzer Social Bots im großen Maßstab eingesetzt zu haben. Mit diesen unterstützen sie die während des Wahlkampfes in den Hintergrund gerückte nationalistische Agenda Abes in der Onlineöffentlichkeit jedoch indirekt– so die vorläufige Hypothese von Prof. Schäfer.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Stefan Evert, Professur für Korpuslinguistik der FAU, analysierte Schäfer über 540.000 Tweets, die kurz vor und nach der Wahl Mitte Dezember verbreitet worden waren. Dabei fielen ihnen die vielen gleich- oder ähnlich lautenden Tweets auf. Deshalb untersuchten sie, ob diese von Bots oder sogar Botnetzwerken stammten. Anders als bisher nahmen die FAU-Forscher aber nicht die typischen Verhaltensweisen eines Bots, also zum Beispiel wie häufig diese Tweets versenden, als metrisches Kriterium, um diese zu identifizieren. Vielmehr setzten sie auf Methoden der Korpuslinguistik, mit der sich große Textmengen analysieren lassen.
Schnell zeigte sich, dass es sich bei fast 80 Prozent der untersuchten Tweets um Duplikate, hierzu zählen auch Retweets, oder Nahduplikate handelte, die auf insgesamt 3722 Originaltweets zurückzuführen sind.
Die FAU-Wissenschaftler konnten bei der Verbreitung der Tweets fünf Muster erkennen. Drei der Muster ordneten sie dabei einer Pro-LDP-Kampagne, eines einer anderen Gruppe unter den rechten Internetaktivisten zu. Das fünfte Muster lässt sich Usern zuordnen, die ein ähnliches Verhalten wie Bots an den Tag legten. „Tweets der ersten und zweiten Gruppe haben gemeinsam, dass sie einen ähnlichen in rechten Internetkreisen verbreiteten Jargon nutzen, und nicht selten rassistische oder feindselige Aussagen zum Inhalt haben“, erklärt Schäfer. Dies und die für die zahlreichen Fake-Accounts genutzten Namen, führten Evert und Schäfer zu dem Schluss, dass es sich um zwei Gruppen rechter Internetaktivisten, den netto uyo, handelte, die solche autonomen Programme massiv einsetzten, um so andere Hashtags zu überlagern. Bots können aber auch auf schon populäre Hashtags und Themen aufspringen, um diese mit dem gleichen Zweck zu instrumentalisieren, ohne dass die Tweets inhaltlich miteinander etwas zu tun haben.
Letzteres nutzten rechte Internetaktivisten in der Wahl 2014 vor allem um ultranationalistische Inhalte vielfach zu verbreiten. Der Vorwurf „Anti- Japanisch“ zu sein - der Begriff findet sich sowohl unter den netto uyo als auch in abgeschwächter Form bei Abe - wirkte dabei beispielsweise als eine Art begriffliche Brücke zwischen dem extremen und dem gemäßigteren Lager. „Diese Brücke verband den nationalistischen Diskurs rechter Internetaktivisten mit Abes rechtskonservativer Agenda“, sagt Schäfer. „Abes Position fand deshalb im Netz nicht nur in konservativen Organisationen beziehungsweise einer sehr computeraffinen Gruppe mit engen Verbindungen zur LDP Unterstützung, sondern ebenso in der großen, wenn auch wenig organisierten Gruppe rechter Internetaktivisten.“ Auch wenn letztere zwar häufig eine Anti-Abe-Position einnahmen, erklärt der Japanologe Schäfer, verbreiteten diese doch eine ganz ähnliche nationalistische Agenda im Netz.
Originalveröffentlichung:
Japan´s 2014 General Election: Political Bots, Right-wing internet Activism, and Prime Minister Shinzō Abe´s Hidden Nationalist Agenda. Big Data. DOI: 10.1089/big.2017.0049