Nachrichten, Gerüchte, Meldungen und Berichte aus der IT-Szene

Redaktion: Heinz Schmitz


E-Learning-Programm überwacht Aufmerksamkeit

Steht ein Dozent im Seminarraum vor Studierenden, kann er erkennen, ob diese aufmerksam seinen Ausführungen folgen oder abgelenkt sind – und kann darauf reagieren. Sitzt der Lernende jedoch vor einem Rechner und erhält den fachlichen Input über eine E-Learning-Anwendung, dann erkennt das System nicht, ob der Lernende auf sein Handy schaut oder ihm die Augen zufallen – zumindest noch nicht. Ein interdisziplinäres Team aus Informatikern und Medienwissenschaftlern der Technischen Universität Chemnitz arbeitet im Projekt „Human Responsive Design (HRD)“ daran, dies zu ändern. Dazu kooperieren sie mit der chemmedia AG, einem Anbieter von E -Learning-Anwendungen, der 1997 von Absolventen der TU Chemnitz gegründet wurde und heute 370 Kunden in 38 Ländern betreut. „Bisher lassen sich E-Learning-Programme auf verschiedene Niveaustufen einstellen, sie reagieren aber nicht auf nonverbale Signale des Lernenden“, beschreibt Jun.-Prof. Dr. Paul Rosenthal die Ausgangslage. Der Inhaber der Juniorprofessur Visual Computing gibt ein Beispiel: „Die proaktive Komponente, die wir im E-Learning verorten wollen, könnte unter anderem so aussehen, dass ein Video automatisch stoppt, wenn das Handy des Nutzers klingelt.“ Hierzu wollen die Informatiker Daten extrahieren, die eine Webcam liefert. Worauf sie dabei achten müssen, erfahren sie von der Professur Medienpsychologie unter Leitung von Prof. Dr. Peter Ohler. Dr. Nicholas Müller erklärt: „Die Auflösung der Webcams ist gut genug, um beispielsweise zu erkennen, dass jemand die Augenbrauen bewegt. Das Programm sollte dies künftig als Fragezeichen im Gesicht interpretieren können und beispielsweise automatisch eine Wiederholung des Lernstoffes anbieten.“

 

Hierbei spielt neben der automatisierten Erfassung von nonverbalen Kommunikationssignalen auch der Datenschutz eine entscheidende Rolle. „Das Ziel ist es, den Lernenden zu unterstützen, nicht zu überwachen“, erklärt Projektmitarbeiterin Madlen Wuttke von der Professur Medienpsychologie. „Wir beabsichtigen, dass das System in seiner Endstufe beispielsweise auswerten kann, ob der Nutzer aktiv den Bildschirm betrachtet oder ob der Geräuschpegel der Umgebung zu laut ist und der Computer eventuell die Lautstärke anpassen oder die Aufmerksamkeit des Benutzers zurück auf den Bildschirm lenken muss“, sagt Wuttke und ergänzt: „Darüber hinaus können physiologische Parameter, wie der Augenöffnungsgrad, Gähnen oder irrelevante Blickrichtungen, Indikatoren sein, die zum Beispiel auf Müdigkeit oder Desinteresse hindeuten, auf die das System reagieren soll.“

 

Die theoretische Grundlage für das Projekt ist gelegt: Madlen Wuttke von der Professur Medienpsychologie hat im Rahmen ihres noch laufenden Promotionsvorhabens untersucht, wie sich eine proaktive Komponente im E-Learning auf den Lernerfolg auswirkt. Das Ergebnis ihrer Forschung zeigt ein hohes Potenzial für diesen Entwicklungsansatz. „Das selbstgesteuerte Lernen ist der große Vorteil von E-Learning. Wir arbeiten daran, dass das System den Lernenden dabei künftig noch besser unterstützt“, fasst Rosenthal zusammen. Darüber hinaus sind auch alternative Anwendungen denkbar, etwa teilautonome Fahrzeuge, die auf physiologische Symptome wie Müdigkeit bei Fahrern reagieren.

 

Siehe auch:

http://www.tu-chemnitz.de/

https://www.chemmedia.de/de/

Zurück