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Redaktion: Heinz Schmitz
Baukastensystem für ausgeklügelte Roboter
Formverändernde Miniaturroboter, die unter Verwendung der heterogenen Montageplattform hergestellt wurden. Die Voxel aus Multimaterialien werden frei miteinander integriert, um Roboter mit beliebigen 3D-Geometrien und Magnetisierungsprofilen zu erstellen. (Quelle: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme)
Ein Forscher-Team des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) hat ein System entwickelt, mit dem sie passgenau Baustein für Baustein Miniaturroboter herstellen können. Wie bei einem Lego-System können die Wissenschaftler einzelne Komponenten beliebig kombinieren. Die Bausteine oder Voxel – man könnte sie auch als 3D-Pixel bezeichnen – bestehen aus unterschiedlichen Materialien: welche, die die Konstruktion halten, bis hin zu magnetischen Komponenten, die die Steuerung der weichen Maschinen ermöglichen. „Man kann die einzelnen weichen Teile beliebig zusammensetzen, es gibt keine Einschränkung, was man erreichen kann. Jeder Roboter hat so ein individuelles Magnetisierungsprofil“, sagt Jiachen Zhang. Zusammen mit Ziyu Ren und Wenqi Hu ist er Erstautor der Publikation „Voxelated three-dimensional miniature magnetic soft machines via multimaterial heterogeneous assembly“.
Das Projekt ist das Ergebnis vieler vorangegangener Arbeiten, die in der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI-IS durchgeführt wurden. Seit vielen Jahren arbeiten die Wissenschaftler dort an kleinen, magnetisch gesteuerten und kabellosen Robotern, die eines Tages in der Medizin eingesetzt werden könnten. Der Maßstab reicht von wenigen Millimetern bis hinunter zu einigen Mikrometern. Die bislang von der Abteilung entwickelten hochmodernen Designs haben in Wissenschaftskreisen weltweit Aufmerksamkeit erregt. Dabei waren sie in ihrer Funktionalität eingeschränkt, da sie nur aus einem einzigen Material hergestellt werden konnten. „Möchte man weiche Miniaturroboter bauen, dann hat man viele unterschiedliche, oft komplexe Designs. Aufgrund der geringen Größe sind die verfügbaren Fertigungsmöglichkeiten sehr begrenzt. Das stellt uns vor große Herausforderung. Seit Jahren versuchen Forscher, eine innovative Fabrikationsplattform zu entwickeln, die völlig neue Möglichkeiten bietet. Unserem Team ist das nun gelungen. Wir können sehr komplexe Konstrukte bauen, die maßgeschneidert funktionieren. Unser neues Baukastensystem wird den Weg ebnen für viele neue Roboter, von denen einige möglicherweise die minimal-invasiven medizinischen Geräte der Zukunft sein werden“, sagt Metin Sitti, der die Abteilung für Physische Intelligenz leitet. Er ist ein Pionier auf dem Gebiet drahtloser medizinischer und bio-inspirierter Miniaturroboter.
Der heterogene Montageansatz stellt einen blütenförmigen Soft-Roboter mit komplexer Steifigkeitsverteilung und reversibler Formveränderung her. (Quelle: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme)
„Bisher haben wir die Voxel aus nur einem Material in 3D gedruckt oder gegossen. Das schränkt ihre Funktionalität ein – was kann schon ein einziges Material?“, sagt Ziyu Ren. „Wenn man wie wir mehr Funktionen möchten und ein einzigartiges Magnetisierungsprofil, dann geht das nur, wenn man verschiedene Materialien miteinander mischt.“
„Bisher war das Magnetisierungsprofil eines jeden Roboters gekoppelt an seine Geometrie und damit limitiert. Jetzt haben wir eine Plattform geschaffen, die ein beliebiges Magnetisierungsprofil ermöglicht. Das ist möglich, weil wir mehrere magnetische Teile frei in ein System integrieren können“, ergänzt Jiachen Zhang.
Die neue Bauplattform ermöglicht viele neue Designs und ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Forschungsgebiet der Soft-Robotik. Die Abteilung für Physische Intelligenz hat bereits eine Vielzahl an Robotern entwickelt: von einem krabbelnden und rollenden, von einer Raupe inspirierten Roboter über ein spinnenartiges Konstrukt, das hoch springen kann, bis hin zu einem nachgebauten Heuschreckenbein und magnetisch gesteuerten Maschinen, die anmutig wie Quallen schwimmen. Die neue Plattform wird diesen Trend beschleunigen. Sie bietet eine Spielwiese neuer Möglichkeiten, um noch modernere weiche Miniaturmaschinen zu bauen.
Ein nur Millimeter großer Soft-Roboter, der seine Form ändern kann. (Quelle: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme)
Die Forscher stützen jede Konstruktion auf zwei Materialkategorien. Die Basis bildet meistens ein Polymer, das die Matrix zusammenhält. Aber auch andere Arten von weichen Elastomeren kommen hier zum Einsatz, beispielsweise biokompatible Materialien wie Gelatine. Die zweite Kategorie umfasst Materialien, in die magnetische Mikro- oder Nanopartikel eingebettet sind. So wird der Roboter steuerbar, da er auf ein Magnetfeld reagiert.
Die Voxel werden zu Tausenden in einem Schritt hergestellt. Als würde man Teig in einer Muffin-Backform verteilen, kreieren die Wissenschaftler die einzelnen Blöcke mit winzigen Gussformen. Jeder Block ist dabei in etwa 100 Mikrometer klein. Zusammengebaut werden sie von Hand unter dem Mikroskop, denn das automatisierte Zusammensetzen der Partikel ist noch zu komplex. Während die Forscher vor dem Bau jedes Roboters die Form und Funktionalität simulierten, gingen sie bei der Konstruktion nach dem Trial-and-Error Prinzip vor, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden waren.
Letztendlich strebt das Team jedoch an, die Herstellung zu automatisieren – nur dann können sie die Skaleneffekte nutzen, sollten sie die Roboter eines Tages kommerzialisieren. „Bei unserer zukünftigen Arbeit wird die automatisierte Fertigung einen hohen Stellenwert einnehmen“, sagt Jiachen Zhang. „Was unsere heutigen Roboterdesigns angeht, verlassen wir uns auf unsere Intuition, die auf langjähriger Erfahrung mit verschiedenen Materialien und weichen Robotern basiert.“
Originalveröffentlichung:
https://robotics.sciencemag.org/content/6/53/eabf0112