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Redaktion: Heinz Schmitz


Quantencomputer auf dem Weg zum Prototyp

Darstellung eines Mehrteilchen-Quantengatters mit gefangenen Rydbergatomen. Ein zentrales Qubit kontrolliert den Zustand von mehreren benachbarten Qubits über die starke Wechselwirkung zwischen Rydbergatomen. (Quelle: Celina Brandes/Universität Stuttgart)

 

Ähnlich wie ein klassischer Computer führt ein Quantencomputer eine Folge von logischen Rechenschritten – Algorithmen – aus. Allerdings tut er dies mit den kleinsten physikalischen Einheiten, sogenannten Quantenbits (kurz Qubits). Diese können nicht nur die Zustände 0 und 1 annehmen, sondern auch Überlagerungszustände zwischen 0 und 1. Solche sogenannten Superpositionen sind auch zwischen weit entfernten Qubits möglich, wobei eine Änderung an einem Teilchen auch eine Änderung am anderen bewirkt. Gelingt es, zwei Qubits miteinander zu verschränken, ist ihr gemeinsamer Zustand eine Überlagerung aller Einzelzustände. Um mit Qubits Rechenoperationen durchführen zu können, muss der Zustand der Superposition und der Verschränkung für viele Qubits über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden. Es kommt also darauf an, wie präzise man einzelne Qubits kontrollieren kann und wie gut sich die Anzahl der Qubits hochskalieren lässt.

 

Rydbergatome fühlen über fünf Mikrometer hinweg In den letzten drei Jahren konnten auf der Basis von Rydbergatomen Kontrolle und Verschränkung in Systemen von mehr als 50 Qubits gezeigt sowie Qubit-Operationen mit einer Fehlerquote von weniger als einem Prozent demonstriert werden. „Rydbergatome sind mehrere tausend Mal größer als normale Atome und können durch ihr locker gebundenes Elektron andere Rydbergatome über Distanzen von etwa fünf Mikrometern hinweg ‚fühlen‘ - für Atome sind das gigantische Entfernungen“, erklärt Dr. Florian Meinert am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart die besondere Eignung von Rydbergatomen. Dabei erfolgt die Anregung besonders „kohärent“, also kontrolliert und frei von Störungen. Quantengatter aus Rydbergatom-Atomen sind daher ein äußerst vielversprechender Ansatz, deren Leistung sich aus unserer Sicht um die Größenordnungen steigern lässt, die für einen praxistauglichen Quantencomputer erforderlich sind“, meint Meinert.

 

Experimental- und Theoretische Physik kooperieren mit der Industrie In dem Projekt arbeiten Forschende aus der Experimentalphysik und der Theoretischen Physik sowie Entwickler aus der Industrie Hand in Hand zusammen. Während die Gruppe um Florian Meinert mit ihren Experimenten zur Steuerung und Kontrolle der Rydbergatome quasi den Prozessor des Computers liefert, entwickelt das Team um Prof. Hans Peter Büchler am 3. Institut für Theoretische Physik der Universität Stuttgart das Programm, das die Rechenschritte der Quantenalgorithmen ausführt. Ziel ist es, am Ende der Projektlaufzeit ein Webinterface zu installieren, mit dem sich ein erstes Set an Problemstellungen berechnen lässt. Zudem gilt es, die Rechenprozesse zu optimieren und die Fehlerraten zu minimieren. Ein weiterer notwendiger Entwicklungsschritt ist das Benchmarking des Quantencomputer-Ergebnisses mit sehr anspruchsvollen Simulationen, die auf klassischen Supercomputern durchgeführt werden. Diesen Fragestellungen widmet sich Prof. Simone Montangero (Universität Padua und Honorarprofessor Universität Ulm).

 

Um die Kohärenz in einem Qubit-Ensemble über lange Zeit zu halten, setzen die Forschenden auf ein ausgeklügeltes Laser- und Fallensystem, welches es erlauben soll, die Qubit-Zustände 0 und 1 und alle Überlagerungszustände sehr gut zu kontrollieren und zu speichern sowie logische Quantengatter als Grundbausteine der Rechenoperationen zu realisieren. Derartige Laser gibt es bisher nicht auf dem Markt. Daher ist mit der Münchner Firma TOPTICA Photonics AG ein Industriepartner in das Grundlagenforschungsprojekt eingebunden, der auf die Entwicklung hochpräziser Lasersysteme spezialisiert ist.

 

Das Potential von Quantencomputern für Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland sei hoch, so Prof. Tilman Pfau, der Leiter des 5. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart und Koordinator des Verbundprojekts „QRydDemo“: „Der Quantencomputer kann seine Stärken insbesondere bei rechenintensiven Fragestellungen ausspielen. Das ist zum Beispiel bei Simulationen von Molekülverbindungen oder Festkörpern der Fall, etwa um chemische oder biologische Prozesse besser zu berechnen und in Folge neue Materialien oder Verbindungen zu entwickeln.“ Aber auch perfekt optimierte Verkehrsströme, Produktionsabläufe oder hoch leistungsfähige Batterien ließen sich mit der grundlegend anderen Rechenweise realisieren.

 

Siehe auch:

https://www.project.uni-stuttgart.de/qryddemo/

https://www.pi5.uni-stuttgart.de/news/press-release/Quantencomputer-mit-Rydbergatomen-de.pdf

 

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