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Redaktion: Heinz Schmitz


KI übersetzt Keilschrift auf antiken Tontafeln

Keilschrift

Keilschrift, wie hier die Inschrift Schilkhak-In-Schuschinaks aus Susa, um 1140 v. Chr., ist nun endlich computerlesbar. (Quelle: Von Unbekannt - Jastrow (2006)/Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=575046)

 

Bislang ist das Entziffern antiker Stein- und Tontafeln weitgehend mühsame Handarbeit. Doch Forscher an der University of Chicago (UoC) arbeiten mit "DeepScribe" an einem KI-System, das automatisiert zumindest eine Rohübersetzung liefert. In Tests hat es bei elamitischer Keilschrift rund 80 Prozent Genauigkeit erreicht. Das scheint gut genug, um die Analyse antiker Standardtexte deutlich zu erleichtern und zu beschleunigen.

 

Endlich 3D-Sehen

Zwar versuchen Wissenschaftler schon seit den 1990er-Jahren, Keilschrift mithilfe von Computern zu entziffern. Doch die Tatsache, dass Keilschrifttafeln letztlich komplexe 3D-Objekte sind, war lange eine große Hürde: Computer konnten Zeichen nicht genau genug erkennen. Orientalisten und Informatikern der UoC scheint nun ein Durchbruch gelungen. "Computersehen ist in den vergangenen fünf Jahren wesentlich besser geworden", betont Informatikprofessor Sanjay Krishan. Vor zehn Jahren wäre es ihm zufolge noch völlig unmöglich gewesen, den aktuellen Erfolg zu erzielen. "Das Ganze ist ein gutes Maschinenlern-Problem, denn Genauigkeit ist objektivierbar, wir haben einen annotierten Trainingsdatensatz und wir verstehen die Schrift ziemlich gut", betont Krishnan. Er konnte nämlich auf über 60 Terabyte an hochauflösenden Bildern von Schrifttafeln zurückgreifen, die Archäologen in den vergangen 80 Jahren analysiert haben. Mit einem daraus erstellten Elamitisch-Wörterbuch war es möglich, mit tiefem Lernen die KI so gut zu trainieren, dass DeepScribe bei Tests mit ihr unbekannten elamitischen Tafeln eine Übersetzungsgenauigkeit von rund 80 Prozent erreicht hat.

 

Gut genug für Kassenbons

Schon diese 80 Prozent reichen, um die Arbeit von Archäologen massiv zu erleichtern. Denn viele Keilschrifttafeln beschreiben einfache Handelstransaktionen, ähnlich "einer Schachtel Walmart-Kassenbons", so die Assyrieologie-Professorin Susanne Paulus. "Wenn der Computer nur die extrem repetitiven Teile übersetzen und identifizieren könnte und es Experten überlassen bleibt, Ortsnamen, Verben oder Dinge, die Interpretation erfordern, zu ergänzen, erledigt das viel Arbeit", betont sie.

 

Das Team arbeitet trotzdem daran, die Genauigkeit weiter zu steigern. Zudem hoffen die Forscher, DeepScribe auch auf andere Keilschrift-Sprachen als Elamitisch zu übertragen. "Wenn wir ein Tool schaffen könnten, dass flexibel und erweiterbar ist, so dass es sich auch auf verschiedene Schriften und Zeitepochen ausdehnen kann, wäre das wirklich bahnbrechend", so Paulus.

 

Siehe auch:

https://de.wikipedia.org/wiki/Elamische_Sprache

http://uchicago.edu/

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