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Redaktion: Heinz Schmitz


Spinnen-Greifer für Industrieroboter

Flexibel, schnell und punktgenau bewegt er seine Gliedmaßen: Ein neuartiger Saug-Greifer für Roboterarme, den Forscher an der Universität des Saarlandes entwickelt haben, ist mit seinen Muskeln aus haarfeinen Formgedächtnisdrähten überaus gelenkig. Anders als bislang übliche Vakuum- Saugsysteme, die flache Werkstücke immer gleich starr greifen oder mühsam von Hand eingestellt werden, lässt er sich einfach während des Betriebes umprogrammieren. Der wandlungsfähige Saarbrücker Prototyp bewegt seine Extremitäten ähnlich denen einer Spinne und passt sich dem Werkstück je nach Bedarf an. Die Forschergruppe von Professor Stefan Seelecke zeigt ihn und ihr neues Verfahren auf der Hannover Messe.

 

Greift sich in einer Fertigungsstraße ein Roboter ein flaches Werkstück, etwa ein Blech, das im nächsten Verarbeitungsschritt an genau markierten Stellen Bohrungen erhalten soll, passiert es nicht selten, dass just dort, wo sich sein starrer Saug-Greifer festsaugt, ein Loch geplant ist. Gerade in vollautomatisierten Prozessen ist so etwas für die Ingenieure im Hintergrund eine echte Herausforderung, die Zeit und Nerven beim Umplanen und Ummontieren kostet. Ihnen kann künftig ein neuartiger flexibler Saug- Greifer weiterhelfen, den die Forschergruppe von Stefan Seelecke an der Universität des Saarlandes und am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik entwickelt hat.

 

Der „Spinnen-Greifer“ lässt seine Muskeln spielen und bewegt seine Greifarme – der Prototyp hat vier davon –, die auf diese Weise nicht mehr sich selbst im Weg sind. Und das bei voller Fahrt, ohne dass der Betrieb behindert wird, oder der Prozess gestoppt werden müsste. „Unser Saug- Greifer lässt sich während des Betriebs mühelos und leicht umprogrammieren. Dadurch wird die Produktion beschleunigt und nicht zuletzt auch Platz im Lager gespart, wo üblicherweise viele, fast identische Greifer, so genannte Endeffektoren, auf ihren Einsatz warten“, sagt Professor Seelecke.

 

Möglich wird dies durch feine Drähte mit „Formgedächtnis“. Damit bezeichnen die Wissenschaftler das Phänomen, dass solche Drähte ihre alte Form wieder annehmen können, nachdem sie verformt wurden, sich also quasi an diese erinnern. „Wir nutzen dabei die Fähigkeit der Legierung Nickel- Titan zur Phasenumwandlung: Erwärmen wir einen Draht aus dieser Legierung, indem wir zum Beispiel elektrischen Strom hindurch fließen lassen, wandelt sich seine Gitterstruktur um, und er zieht sich zusammen“, erklärt Professor Seelecke. Die Ingenieure bündeln mehrere der hauchfeinen Drähte, dadurch geben diese durch die größere Oberfläche schneller Wärme ab als ein einzelner dickerer Draht, so dass das Bündel schneller abkühlen und wieder lang werden kann. Das Prinzip wurde dem menschlichen Muskel nachempfunden. Auf diese Weise wird eine schnelle An- und Entspannung und damit auch eine flinke Bewegung der muskulösen Greifer-Gliedmaßen möglich – und das mit hoher Zugkraft. Auf kleinem Raum lassen sich kraftvolle Bewegungen ausführen: „Unsere Formgedächtnisdrähte haben von allen bekannten Antriebsmechanismen die höchste Energiedichte“, erläutert Seelecke.

 

Durch die Formgedächtnisdrähte ist der „Endeffektor“ leicht, geräuschlos und – abgesehen von dem ihn führenden Roboterarm – unabhängig von weiteren Apparaturen. Er benötigt nur Strom und ist auf keine sonstigen Antriebe wie Elektromotoren oder Druckluft angewiesen. Die Steuerung erfolgt über einen winzigen Halbleiterchip. Auch weitere Sensoren sind nicht nötig, damit der Saug-Greifer passgenau greifen kann. „Die Drähte selbst liefern alle Daten, Sensoreigenschaften sind also automatisch integriert“, sagt Ingenieur Paul Motzki, der als Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Seelecke den Prototyp des Greifers im Rahmen seiner Doktorarbeit mitentwickelt hat. „Die Regelungseinheit ordnet den Messwerten des elektrischen Widerstands, die ohnehin erhoben werden, exakt die jeweilige Deformation der Drähte zu. Dadurch weiß das System zu jeder Zeit, in welcher Position welches der Drahtbündel steht“, erklärt der Doktorand. Hierdurch können die Ingenieure künftig äußerst präzise Bewegungsabläufe programmieren. Auf der Hannover Messe demonstrieren sie den Prototypen ihres flexiblen Endeffektors.

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