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Redaktion: Heinz Schmitz


Smart Grids und Energiespeicher aus dem Eis

„Was für eine Aussicht“, jauchzt Peter, als das Luftschiff vom eisigen Boden des südlichen Endes der Welt abhebt und in die Höhe gleitet. „Nicht wahr?“, antwortet ihm Niklas. „Schon von unten aus betrachtet ist die Antarktis schön und respekteinflößend – aber erst von hier oben entwickelt man ein Gefühl für die wahren Dimensionen dieser Wüste aus Eis und Fels.“ In diesem Moment ertönt in der Kabine ein kurzes Signal, während das Luftschiff zum Stoppen kommt. „Wir haben die maximale Flughöhe erreicht“, erklärt Niklas seinem älteren Bruder und scherzt mit einer weit ausholenden Armbewegung: „Willkommen auf der höchsten Aussichtsplattform der Antarktis. Ich bin Ihr persönlicher Guide auf diesem Ausflug.“

 

Peter lacht und genießt den einmaligen Ausblick. „Wow, das da unten ist ja schon fast eine Kleinstadt. In eurem Umfeld haben sich offensichtlich viele Institute niedergelassen.“ Er zeigt auf die drei Forschungsstationen, die sich unter ihnen erstrecken. Niklas nickt: „Ja, eines gewinnt aus dem Eis Erkenntnisse zur Klimaentwicklung und zur Verschiebung der Erdmagnetfelder. Ein anderes Institut macht Jagd auf Mikroorganismen mit antibiotischen Eigenschaften.“ Und er ergänzt: „Wie Du weißt, setzt mein eigener Arbeitgeber alles daran, um hier für alle eine CO2-neutrale, intelligente und vor allem verlässliche Stromversorgung zu etablieren.“

 

Peter nickt, ohne seinen Blick von der Scheibe zu lassen: „Wo sonst auf der Welt gibt es wohl solche herausfordernden Bedingungen für ein Mikrogrid? Wenn ihr hier Erfolg habt, dann habt ihr ihn überall. Nur: wie sieht eure Arbeit genau aus?“ Sein Bruder zeigt auf die Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Nähe der Stationen. „Basis für unsere Energieversorgung sind spezielle, dieser Kälte und den Vereisungen trotzende Windräder sowie Solarkollektoren für Warmwasser und Photovoltaikanlagen. Der erzeugte Strom wird auf alle Stationen aufgeteilt. Aber diese Quellen alleine reichen nicht, um die Gebäude permanent mit Elektrizität zu versorgen.“

 

Sein Bruder ergänzt: „Ob Tag oder Nacht, Sommer oder Winter – es wird immer enorme Schwankungen geben.“ Niklas nickt: „Genau, darauf müssen sich die Stationen einstellen und ihren Verbrauch entsprechend anpassen.“ Peter schüttelt den Kopf: „Aber dafür müsste man doch schon weit im Voraus wissen, wie viel Strom zur Verfügung stehen wird?“ Niklas lacht: „Vollkommen richtig, aber wie Du gleich sehen wirst, muss man dafür kein Wahrsager sein.“ Der Forscher gibt einen Code auf einem Touchpad ein. Auf dem Panorama-Fenster des Luftschiffes erscheinen Projektionen von Querschnitten, Diagrammen und Netzwerken, die sich, dem jeweiligen Blickwinkel der Brüder angepasst, über die Forschungsstationen legen. Peter staunt: „Was ist das?“

 

„Das ist ein Abbild unserer Arbeit“, sagt Niklas und fährt fort: „Die Vorhersage der zu erwartenden Strommengen ist tatsächlich das A und O für unsere Stromversorgung. Hier arbeitet eine lernende Software auf Basis neuronaler Netze. Sie gleicht die Wettervorhersagen der nächsten Tage ab, beachtet gleichzeitig die Jahreszeiten-Charakteristika und weiß aus Erfahrung um den Verbrauch der einzelnen Stationen zu den unterschiedlichsten Tageszeiten. Das heißt: Mit Hilfe dieser Parameter sagt das System zum einen die Stromerzeugung der kommenden Tage bis auf wenige Prozent genau voraus. Zum anderen weiß es dank des Vergleichs der prognostizierten Erzeugung mit dem zu erwartenden Strombedarf aber auch, an welchen Tagen Defizite zu erwarten sind.“

 

Peter weiß vor Verblüffung gar nicht, auf welche der Projektionen er schauen soll: „Aber wie stellen sich die Stationen auf die täglich variierenden Strommengen ein, ohne dass ihre Arbeit beeinflusst wird?“ „Die Forscher merken von alledem nichts“, versichert ihm sein Bruder. „Auf Basis dieser Informationen programmiert sich ein intelligentes Stromnetz, das alle Stationen miteinander verbindet, vollkommen automatisch. Ob Lüftungssteuerung, Beleuchtung, Wasserreinigung, Gewächshäuser oder sensible Labortechnik: Dieses Smart Grid kennt sämtliche Verbraucher der drei Stationen nebst ihrer Bedeutung. So kann das System errechnen, wie viele Minuten einzelne Verbraucher heruntergefahren werden können, ohne dass deren Funktionen beeinträchtigt werden und reagiert so rechtzeitig auf das prognostizierte Stromdefizit.“

 

Peter hat etwas in der Ferne erblickt: „Ah, das sind Wasserstofftanks, nicht wahr – damit hat sich meine Frage nach den Speichern erledigt.“ Niklas grinst: „Während des südlichen Sommers, wenn hier fast den ganzen Tag die Sonne scheint, produzieren wir viel zu viel Strom, um ihn sofort selbst verbrauchen zu können. Diesen Überschussstrom nutzen wir, um Schnee zu schmelzen und das Wasser mit Elektrolyse-Verfahren in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Letzteren speichern wir in den Tanks. Bei Stromknappheit im Winter nutzen wir ihn dann: Mit Hilfe von Brennstoffzellen erzeugen wir daraus wieder Strom und Wärme. Wie Du siehst, sind wir im Großen und Ganzen ein rundum CO2-neutraler Verbund, der auch an Tagen mit minimalen Stromernten ausreichend versorgt ist. Und mein Team arbeitet gerade daran, die hier gewonnenen Daten in die Entwicklung noch intelligenterer Technologien fließen zu lassen. Schließlich ist das hier nicht der einzige Ort auf der Welt, für den hocheffiziente Lösungen elementar wichtig sind.“

 

Niklas schaut seinen Bruder an: „Gefällt es Dir?“ „Klasse“, antwortet Peter. „Ich bin echt begeistert, was Du aus der Vernetzung von Erzeugern, Verbrauchern und dieser ganzen Datenanalyse machen kannst.“ Dann lacht er und nimmt seinen Bruder in den Schwitzkasten, ganz wie in alten Zeiten. „Aber Du zahlst schon einen hohen Preis, wenn Du hier immer voll eingepackt herumlaufen musst, damit du Warmduscher nicht frierst. Komm, lass uns wieder runterfliegen. Ich habe Dir etwas mitgebracht, das Dich begeistern wird. Ich konnte es tatsächlich am gefräßigen Kapitänshund des Versorgungsschiffes, mit dem ich herkam, vorbeischmuggeln.“ „Was ist es denn?“ Peter grinst: „So viel sei verraten: Du wirst sehr viel Energie brauchen, um es zu verarbeiten.“

(Quelle: Sebastian Webel / Pictures of the Future)

2040 – Rundflug über der Antarktis: Der nahe am Südpol tätige Forscher und Ingenieur Niklas Meier bekommt seltenen Besuch von seinem Bruder Peter. Während eines Erkundungsflugs im Luftschiff zeigt Niklas, woran er hier arbeitet: Er soll ein Mikrogrid etablieren, das alle Forschungsstationen zuverlässig und CO2-neutral mit Strom versorgt. Außerdem soll damit auch die Entwicklung hocheffizienter, umweltfreundlicher Technologien für den Weltmarkt vorangetrieben werden.

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