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Redaktion: Heinz Schmitz


Skimmer-Gefahr für Geldautomaten

Geknacketer Geldautomat
Haben sich die Kriminellen einmal die Daten der Bankkarten über Skimmer beschfft, können beliebig auf Bankkonten zugreifen. (Quelle: KasperskyLab)

Kaspersky Lab hat eine neue und verbesserte Version der für Angriffe auf Bankautomaten spezialisierten Malware Skimmer entdeckt. Dahinter steht mutmaßlich eine russischsprachige Gruppe, die mithilfe der Manipulation von Bankomaten Geld der Nutzer stiehlt. Skimmer tauchte erstmalig im Jahr 2009 auf.

Sieben Jahre später haben sich sowohl die Gauner als auch das Schadprogramm weiterentwickelt und stellen eine weltweite Bedrohung für Banken und ihre Kunden dar. „Skimmer“ wird hier als Oberbegriff für die Malware-Versionen von „Backdoor.Win32.Skimer“ sowie für die dahinter stehende Gruppe genutzt. In der englischen Schreibweise heißen Malware und Gruppe „Skimer“. Obwohl die Skimmer-Gruppe und ihre Aktionen sehr schwer zu entdecken sind, konnten die Experten von Kaspersky Lab dieses kriminelle Komplott aufdecken, als sie während einer Untersuchung auf einem Bankautomaten Spuren einer verbesserten Version der Skimmer-Malware fanden. Das Besondere: Die dort eingeschleuste Malware blieb inaktiv, bis sie einen Befehl zur Aktivierung erhielt. Ein cleverer Weg, um Spuren zu verwischen.

 

Die Skimmer-Gruppe startet ihre Operationen, indem sie sich Zugang zu einem Geldautomatensystem verschafft. Die Infizierung erfolgt entweder physisch oder über das interne Netzwerk der Bank. Ist das Programm „Backdoor.Win32.Skimer“ auf einem System installiert, infiziert es das Herzstück des Bankautomaten: das für die Interaktionen der Maschine – mit der Bankinfrastruktur, der Bargeldabwicklung und den Kreditkarten – zuständige ausführende Programm.

 

Anschließend haben die Kriminellen die komplette Kontrolle über den infizierten Geldautomaten. Aber sie gehen vorsichtig und gekonnt vor. Anstatt einfach ein so genanntes Skimming-Gerät zu installieren – also ein betrügerisches Imitat über das eigentliche Lesegeräts zu setzen –, um Kartendaten abzuschöpfen, verwandeln sie den kompletten Automaten in ein Skimming-Gerät. Denn ist ein Geldautomat mit der Malware infiziert, sind die Kriminellen in der Lage, sowohl die im Automat befindlichen Geldmittel abzuheben als auch die Kartendaten abzufangen, die am Geldautomaten genutzt werden – inklusive der Kontonummer und des PIN-Codes der Bankkunden.

 

Ein so infizierter Automat ist kaum zu erkennen. Im Gegensatz zu bisher bekannten Skimming-Geräten, bei denen der aufmerksame Nutzer das Kartenlesegerätimitat oftmals erkennen kann, gibt es hier keine physischen Anzeichen einer Gefährdung.

 

Werden die Geldkassetten eines Automaten direkt geleert, fällt das bei der ersten Auszahlung sofort auf, hingegen kann eine im Geldautomat befindliche Malware sicher und für lange Zeit Kartendaten abschöpfen. Daher wird die Skimmer-Gruppe auch nicht sofort aktiv. Sie geht sehr vorsichtig vor, um nicht entdeckt zu werden. So kann die Malware monatelang auf einem infizierten Automat operieren, ohne dass eine Aktivität durchgeführt wird.

 

Um einen Geldautomaten-Zombie zu aktivieren, nutzen die Kriminellen eine spezielle Karte mit bestimmten Aufzeichnungen auf dem Magnetstreifen. Beim Lesen dieser Aufzeichnungen kann Skimmer entweder einen festprogrammierten Befehl ausführen oder einen Befehl über ein spezielles Menü, das über die Karte aktiviert wird, anfordern. Die grafische Benutzeroberfläche von Skimmer erscheint nur auf dem Automatenbildschirm, nachdem die Karte ausgeworfen wurde und der Kriminelle den richtigen Sitzungsschlüssel auf der PIN-Tastatur in einer speziellen Form und in weniger als 60 Sekunden eingibt.

 

Mithilfe dieses Menüs sind die Cyberkriminellen in der Lage, 21 verschiedene Befehle zu aktivieren, beispielsweise die Auszahlung von Geld (40 Banknoten von einer ausgewählten Kassette), das Sammeln von Daten eingeführter Karten, die Selbstlöschung oder das Empfangen von Updates des aktualisiertes Malware-Codes, der auf dem Kartenchip enthalten ist. Auch kann Skimmer die Datei mit den gesammelten Kontendaten und PIN-Nummern auf dem Chip derselben Karten speichern oder die gesammelten Kartendetails über die Kontoauszugsfunktion des Automaten ausdrucken.

 

In den meisten Fällen warten aber die Kriminellen ab und sammeln die Daten der Bankkarten, um später Kopien dieser Karten zu erstellen. Mit diesen Kopien gehen sie zu einem anderen, nicht infizierten Automaten und heben das Geld vom entsprechenden Kundenkonto einfach ab. So kann der tatsächlich infizierte Automat nicht allzu schnell identifiziert werden.

 

Skimmer wurde zwischen 2010 und 2013 extensiv verbreitet. Danach stieg die Anzahl der Attacken gegen Geldautomaten stark an – mit bis zu neun Kaspersky Lab bekannten Malware-Familien. Dazu gehört auch die Tyupkin-Familie, die im März 2014 entdeckt wurde, sehr bekannt und weit verbreitet war. Jedenfalls scheint Backdoor-Win32.Skimer wieder aktiv zu sein. Kaspersky Lab kennt bis dato 49 Modifikationen der Malware, wovon es 37 auf Geldautomaten eines großen Herstellers abgesehen haben. Die jüngste Version der Malware wurde Anfang Mai 2016 entdeckt.

 

Mit der Hilfe von bei VirusTotal eingereichten Malware-Samples zeigt sich die geographische Verbreitung potentiell infizierter Geldautomaten. Die jüngsten 20 Samples der Skimmer-Familie wurden von mehr als zehn Orten weltweit hochgeladen, dazu gehören Deutschland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Frankreich, die USA, Russland, Macau, die Philippinen, Spanien, Georgien, Polen, Brasilien und die Tschechische Republik.

 

Das bedeutet nicht, dass auch in allen der genannten Länder infizierte Geldautomaten stehen. Die bei VirusTotal hochgeladenen Samples könnten auch von Sicherheitsforschern oder Systemadministratoren stammen. Es ist nicht nachzuvollziehen, woher die Samples stammen, von einem infizierten Geldautomaten oder beispielsweise einem Forum. Gleichzeitig legt eine derart weite Verbreitung nahe, dass die Malware an Cyberkriminelle in verschiedenen Ländern verkauft wurde.

 

Um sich vor dieser Gefahr zu schützen, empfiehlt Kaspersky Lab bei Bankautomaten folgende Maßnahmen durchzuführen:

* regulärer Antivirus-Scan,

* Einsatz von Whitelisting-Technologien,

* entsprechende Device-Management-Richtlinien,

* Full-Disk-Verschlüsselung,

* Passwortschutz des Geldautomatenbetriebssystems,

* Konfiguration des BIOS zum ausschließlichen Bootvorgangs von der

internen Festplatte

* sowie die Isolierung des Geldautomatennetzwerks von allen anderen

internen Netzwerken der Bank.

 

„Es gibt eine wichtige zusätzliche Gegenmaßnahme, die in diesem speziellen Fall anzuwenden ist: Backdoor.Win32.Skimer wird durch bestimmte Informationen, neun spezielle Nummern, die auf dem Magnetstreifen einer Karte gespeichert sind, aktiviert. Wir haben die Aktivierungscodes, die von der Malware genutzt werden, entdeckt und stellen sie Banken frei zur Verfügung. Ist eine Bank im Besitz dieser Nummern, kann sie proaktiv in ihrem Verarbeitungssystem nach ihnen suchen, potentiell infizierte Automaten und ,Money Mules‘ aufspüren oder jegliche Angriffsversuche zur Aktivierung der Malware blockieren“, so Sergey Golovanov, Principal Security Researcher bei Kaspersky Lab.

 

Da es sich um eine laufende Untersuchung handelt, wurde der komplette Untersuchungsreport einem kleinen Kreis bestehend aus Strafverfolgungsbehörden, CERTs, Finanzinstitutionen und Kunden der Kaspersky Security Intelligence Services zur Verfügung gestellt.

 

Siehe auch:

https://de.securelist.com/blog/71489/atm-infector/

https://securelist.com/blog/research/66988/tyupkin-manipulating-atm-machines-with-malware/

http://www.kaspersky.com/de/enterprise-security/intelligence-services

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