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Redaktion: Heinz Schmitz


Schwachstellen beim Fußballspiel aufdecken

Fußball-Analysen haben Konjunktur, wenn in den nächsten Wochen bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 der Ball rollt. In Brasilien und den Heimatländern der Mannschaften werden Trainer, Journalisten und andere Experten die Fußballspiele bis in jede Einzelheit analysieren und beurteilen, aber auch in manch einem Computer werden die Prozessoren auf Hochtouren arbeiten: Softwareprogramme ermitteln die Laufleistung eines Spielers, wie viele Pässe er gespielt, wie viele Zweikämpfe er gewonnen hat. „Die Ergebnisse dieser Analysen sind allerdings in der Regel etwas einfach gestrickt“, sagt Prof. Dr. Jürgen Perl vom Institut für Informatik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). „Es handelt sich mehr oder weniger um Statistik.“ Dass es auch anders geht, zeigt die Analyse- Software „Soccer“, die am Institut für Informatik in Kooperation mit Prof. Dr. Daniel Memmert von der Deutschen Sporthochschule Köln entwickelt wurde. Sie kann Situationen insgesamt erfassen und die Spieldynamik analysieren – eine komplexe Angelegenheit.

 

Als Jürgen Perl 1984 als erster Professor für Informatik seinen Ruf nach Mainz erhielt, war dies die Geburtsstunde der Mainzer Informatik – und damit auch der Mainzer Sportinformatik, die sich in ihren Anfängen mit der Analyse einfacher Spiele wie Tennis oder Badminton befasste. Leistungsfähige Computer standen noch nicht zur Verfügung, aber es wurden mathematische Modelle entwickelt und bereits damals zeigte sich, dass Kennzahlen alleine wenig über den Spielerfolg aussagen. Als leistungsfähigere und billigere Computer auf den Markt kamen, haben sich die Mainzer Informatiker auch an Fußball-Analysen gewagt und im Jahr 2007 mit einer Datenanalyse bei der documenta in Kassel den Durchbruch geschafft. „Wir wurden von einem Künstler eingeladen, der mit Fußball- Präsentationen experimentierte, und hatten dadurch zum ersten Mal einen vollständigen Datensatz zur Verfügung. Das war eine Art Schlüsselszene für uns“, so Perl.

 

Seitdem haben die Sportinformatiker an einer Software gearbeitet, die mehr kann als nur zu zählen, welcher Spieler wie oft am Ball war. „Soccer“ benutzt künstliche neuronale Netze, um situative Muster zu erkennen, zum Beispiel in genau welcher Spielsituation ein Spieler den Ball verloren hat. Mit Hilfe von sogenannten Voronoi-Zellen können Raumgewinn und Raumbeherrschung analysiert werden, Informationen, die ein Trainer mit bloßem Auge kaum erfassen kann. „Das Programm erkennt die Gefährlichkeit eines Angriffs oder die Geschlossenheit einer Abwehr“, erklärt Perl und merkt an, dass Fußballtrainer oft einen blinden Fleck haben. „Die Software kann Muster erkennen, von denen wir zuvor gar nicht wussten, dass es sie gibt“, so der Mainzer Informatiker. Dies kann einem Trainer tieferliegende Details offenbaren, etwa dass die Viererkette, obwohl mit hervorragenden Spielern besetzt, im Spiel häufig suboptimale Stellungsmuster zeigte.

 

Während die Mainzer Analyse-Software bereits auf Bundesliga-Niveau im Einsatz ist, kommen nach Einschätzung von Perl bei der Fußball- Weltmeisterschaft 2014 im kommerziellen Bereich eher Statistik-orientierte Programme zum Einsatz. Ob ein Trainer das „dritte Auge“ nutzt, welche taktischen Schlüsse er aus den Ergebnissen von Analyseprogrammen zieht und welche Anweisungen daraus folgen – dem Zuschauer ist das zu Recht eher weniger wichtig, solange die Spiele spannend bleiben und zum Schluss der Bessere gewinnt.

 

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