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Redaktion: Heinz Schmitz


Geheimnissen des Top-Quarks auf der Spur

Atlas Experiment am LHC/CERN
Mit Hilfe der im Atlas Detektor des LHC gewonnen Daten suchen die Wissenschaftler nach Top-Quarks, die in Zerfällen sehr schwerer neuer Teilchen entstehen könnten. (Quelle: CERN)

Physiker der Bergischen Universität werden in den kommenden drei Jahren ihre Forschung im Bereich der Elementarteilchenphysik am Europäischen Forschungszentrum für Teilchenphysik (CERN) fortsetzen. Unter der Leitung der Professoren Wolfgang Wagner und Christian Zeitnitz analysieren sie Daten des ATLAS-Detektors, mit dem Proton-Proton- Kollisionen am Large Hadron Collider (LHC) aufgezeichnet werden. „Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Auswertung von Kollisionen, in denen Top-Quarks erzeugt werden. Denn das Top-Quark ist das mit Abstand schwerste aller Elementarteilchen und spielt deshalb bei vielen Phänomenen der Elementarteilchenphysik eine entscheidende Rolle“, erklärt Prof. Dr. Wagner. Eine Stoßrichtung der Forscher ist die präzise Vermessung von Prozessen mit Top-Quarks, die von der etablierten Theorie der Elementarteilchenphysik, dem sogenannten Standardmodell, vorhersagt werden. Auf diese Weise kann die Theorie noch genauer überprüft werden.

 

Würden die Forscher eine Abweichung von den Vorhersagen finden, wäre dies ein Hinweis darauf, dass die Theorie erweitert werden muss. So gibt es im Standardmodell nur eine Sorte von Wechselwirkungsteilchen, die sogenannten W-Bosonen, die durch Wechselwirkung mit einem Quark dessen Quarksorte, im Englischen Flavour genannt, ändern können. Ein Top-Quark wird beispielsweise bei seinem Zerfall in ein Bottom-Quark umgewandelt. „Uns interessiert besonders, ob auch die neutralen Wechselwirkungsteilchen des Standardmodells – das Photon, das Z-Boson und das Higgs-Boson – die Quarksorte ändern können. Das ist eine Frage, die wir in den kommenden Jahren genau untersuchen wollen“, sagt Prof. Dr. Wagner und ergänzt: „Natürlich ist es der Traum eines jeden Physikers, einen solchen Effekt zu finden.“

 

Ein zweiter Schwerpunkt der Wuppertaler Datenauswertung ist die Suche nach Top-Quarks, die in Zerfällen sehr schwerer neuer Teilchen entstehen könnten. Dazu zählen die Lepto-Quarks. Sie könnten mehrere tausend Mal schwerer sein als ein Proton und am LHC erzeugt werden. Ihre Existenz würde eine Verbindung zwischen zwei Sorten von Elementarteilchen herstellen, den Leptonen und den Quarks. So ließe sich aus der Theorie heraus erklären, warum das Proton exakt die gleiche elektrische Ladung trägt wie das Elektron, und damit wäre klar, warum Atome elektrisch neutral sind.

 

Die Wuppertaler Physiker gehören zu den weltweit führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Top-Quark-Physik. Im vergangenen Jahr richteten sie die jährliche Konferenz zur Top-Quark-Physik in Bad Neuenahr als Klausurtagung aus. Seit Oktober vergangenen Jahres ist Prof. Dr. Wagner Leiter der ATLAS-Arbeitsgruppe zur Top-Quark-Physik, in der 270 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt Messungen zum Top- Quark durchführen.

 

Die Analyse der vom ATLAS-Detektor bereit gestellten großen Datenmengen wäre in Wuppertal ohne entsprechende Rechnerinfrastruktur überhaupt nicht möglich. Deshalb betreibt die Wuppertaler Teilchenphysikgruppe einen großen Rechnerverbund. Neben der Bereitstellung von Ressourcen für die eigenen Analysen dienen die Rechner auch der Simulation von Kollisionsereignissen, die der ganzen ATLAS-Kollaboration zur Verfügung stehen. Der Ausbau der Rechnerinfrastruktur in Wuppertal wird vom BMBF in den kommenden drei Jahren mit 450.000 Euro gefördert. „In einem gesonderten Projekt wollen wir außerdem die experimentunabhängige Nutzung der Rechner vorantreiben und so die Effizienz von Rechnerverbünden erhöhen“, erläutert Prof. Dr. Zeitnitz.

 

Zurzeit findet am LHC keine Datennahme statt, denn der Beschleuniger und die Detektoren werden zwei Jahre lang gewartet. „Von 2021 bis 2023 werden wir dann noch einmal Daten nehmen und die Datenmenge verdoppeln“, berichtet Prof. Dr. Zeitnitz. Danach werden große Teile des ATLAS- Detektors ausgebaut und ersetzt werden, denn der Detektor, der im Jahr 2008 seinen Betrieb aufnahm, ist in die Jahre gekommen. Auch der Pixelspurdetektor, an dem die Wuppertaler Gruppe maßgeblich mitgebaut hat, wird im Jahr 2025 durch einen Neubau ersetzt werden. Für die Entwicklung und den Kauf von Komponenten sind ein Großteil der Fördermittel vorgesehen. „Wir werden das Detektorkontrollsystem in Wuppertal neu konzipieren und aufbauen. Eine wichtige Komponente dieses Systems sind strahlenharte, hochintegrierte Schaltkreise, die wir in unserer Gruppe entwickeln“, erklärt Prof. Dr. Zeitnitz. Weitere Teilprojekte für den Neubau des Pixeldetektors dienen der schnellen Auslese des Detektors mit hoher Bandbreite im Gigahertzbereich und der Bestückung von Trägerstrukturen aus Karbonmaterial mit Detektormodulen.

 

Die zweite Betriebsphase des LHC soll von 2026 bis 2037 dauern. Die Datenmenge soll in diesem Zeitraum gegenüber der ersten Phase verzehnfacht werden, so dass noch genauere Messungen möglich werden.

 

Siehe auch:

http://www.lhc-facts.ch/

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